Zukünftige Ärztinnen und Ärzte lernen praxisnah, sprechen mit erfahrenen Fachärzten zum Beispiel über Diagnosen und Behandlungsmethod-en, Medikamente, ihre Wirkung und mögliche Nebenwirkungen.
Medizin mit Zukunft
Ärztin oder Arzt werden – das wollen viele junge Menschen. Der Weg bis zurabgeschlossenen Ausbildung ist lang, doch die neue Ausbildung bringt von An-fang an mehr Praxis.
Mann der ersten Stun-de: Prim. Assoc. Prof.Dr. Christoph Hör-mann engagiert sichvon der ersten Idee anfür die Karl Landstei-ner Privatuniversitätund gestaltet die pra-xisbetonte Ausbil-dungsweise maßgeb-lich mit. Er leitet dieklinische Abteilung fürAnästhesie und Inten-sivmedizin im Uniklini-kum St. Pölten und istTransplantations- Be-auftragter in der Ostre-gion.
„Herr Doktor, mir tut das Ohr so weh – wenn jemand so zu dirkommt, was tust du dann?“, fragt Dr. Paul Haberfehlner, Oberarztan der klinischen HNO-Abteilung des Universitätsklinikums St. Pöl-ten, die drei jungen Menschen im weißen Kittel, die mit ihm an ei-nem kleinen Tisch im Übungsraum sitzen. Sophie, Matthäus undFelix studieren im ersten Jahr des Masterstudiums Humanmedizinan der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissen-schaften (KL) in Krems, haben bereits ihren Bachelor absolviertund werden nach zwei weiteren Jahren das Studium der Human-medizin abschließen. Sie gehören dem ersten Jahrgang der KL an.Die Privatuniversität entstand, um hier Vorreiter im Feld der Ge-sundheitswissenschaften zu sein und die interdisziplinäre Zusam-menarbeit von medizinischen und nicht-medizinischen Berufsgrup-pen zu fördern. Darüber hinaus zählt man auf eine Erhöhung desMedizinernachwuchses in Niederösterreich. Im zweiten und drittenJahr des Masterstudiums Humanmedizin auf der KL kommen dieStudierenden zum klinischen Praktikum (Bedside-Teaching) an dieklinischen Abteilungen und Institute der Universitätskliniken in St.Pölten, Krems und Tulln. Sie werden dort in Kleinstgruppen vonspeziell geschulten Ärztinnen und Ärzten praktisch ausgebildet,
auch am Krankenbett. Diese „Bedside-Teaching“ genannten Praktikumsta-ge in den Kliniken wechseln mit Theorie-Tagen in der KL in Krems ab. Ander KL werden die Studierenden von Ärztinnen und Ärzten der drei Unikli-niken unterrichtet. Auch die Studierenden an den öffentlichen Medizin-Uniserwerben praktische Erfahrung während des Studiums, etwa durch soge-nannte Famulaturen, die sie auch an den NÖ Kliniken machen können. AlleStudierenden verbringen das Klinisch-Praktische Jahr, das letzte Studien-jahr, in Kliniken. Somit haben junge Ärztinnen und Ärzte heute wesentlichmehr und besser strukturierte Erfahrungen als viele der früheren Generatio-nen, wenn sie nach dem Studium zum Turnus an die Kliniken kamen.
Praxis am Krankenbett
Die klinische HNO-Abteilung im Universitätsklinikum St. Pölten gehört zuden größten Fachabteilungen in Österreich – mit dem Auftrag einer Maxi-malversorgung in allen operativen und konservativen Leistungen der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Ein idealer Platz zum Lernen. „Wofängst du mit der Untersuchung an?“, fragt Haberfehlner die drei Studie-renden.
Hedwig Silberschneider hat in der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung im Universitätsklinikum St. Pöltenan beiden Ohren ein Cochlea-Implantat bekommen.KL-Student Matthäus führt das Anamnese-Gesprächunter dem wachsamen Auge von Oberärztin Priv.-Doz. Dr. Astrid Magele.
OA Dr. Paul Haberfehlner unterrichtet Matthäus, Felix und Sophie:Wissen abfragen, praktisches Wissen einüben, erste Erfahrungenan den Kollegen machen, bevor es zum Bedside-Teaching geht.
„Beim Außenohr“, antwortet Felix, das Trio machtsich Notizen, schreibt fleißig mit. Der Oberarztspricht über mögliche Hautveränderungen an derOhrmuschel und ihre Bedeutungen, fragt Fachbe-griffe ab, Diagnosen und Behandlungsmethoden,Medikamente, ihre Wirkung und mögliche Neben-wirkungen. Sophie, Matthäus und Felix sind ununter-brochen gefordert, antworten, denken nach, fragennach. Weiter geht es mit dem Gehörgang und dannmit dem Innenohr.
Die Studierenden können viele der Fragen beant-worten, haben also in den Theoriestunden schonviel gelernt. Nun geht es darum, dieses theoretischeWissen mit der Praxis zu verbinden. „Wenn die Hauthier rot ist, was bedeutet das? Was muss man danntun?“ Ganz konkret geht es um die nächsten Schrit-te, um den Weg hin zu einer sicheren Diagnose.Praxis im geschützten Rahmen, bevor man es mitechten Patienten zu tun hat. Das Lernen in Kleinst-gruppen empfinden die Studierenden als spannendund motivierend. „Durch die Interaktion mit den Ärz-ten bekommen wir einen sehr praxisbezogenen Un-terricht“, sagt Matthäus. Für die intensive praxisbe-tonte Ausbildung waren zahlreiche Vorbereitungenin den Unikliniken nötig. Oberärztin Priv.-Doz. Dr.Astrid Magele etwa hat alles daran gesetzt, für dieKL-Studierenden einen eigenen Raum im Klinikumzu haben. Das Mikroskop für die Untersuchungenhat einen besonderen Vorteil: Es besteht aus dreiOkularen und so können drei Studenten gleichzeitighineinschauen.
So beobachtet Oberarzt Haberfehlner ganz ge-nau, wie Felix den Untersuchungstrichter
DER WEG ZUM STUDIUM
Medizin studieren kann man in Österreich an den großen Medizin- Universitä-ten in Wien, Graz und Innsbruck, an der medizinischen Fakultät in Linz, an derParacelsus Privatuniversität in Salzburg und an der Karl Landsteiner Privatuni-versität in Krems. Die Schritte:
österreichweit erstmals Bologna-konform strukturiert
Bachelorstudium Health Sciences, danach
Masterstudium Humanmedizin
Vollzeitstudium, je Abschnitt 6 Semester, Unterrichtssprache BA: Englisch,MA: Deutsch
Die postgraduale Ausbildung:
Nach dem Studium braucht man das Ius practicandi, um als Arzt arbeiten zudürfen (siehe Grafik Seite 10). Dafür absolviert man den Turnus in einem alsAusbildungsstätte anerkannten Krankenhaus. Neun Monate Basisausbildungsind für alle verpflichtend, danach trennen sich die Wege: Allgemeinmedizinoder Fachärztin/Facharzt.
Alle Curricula sind durch die Ärzteausbildungsordnung festgelegt, die Aus-bildungsinhalte in den Rasterzeugnissen definiert. Die Anerkennung der Aus-bildung und die Ausstellung der Diplome obliegt der Ärztekammer.
Allgemeinmediziner, also Hausarzt, ist man also frühestens nach zehn Jah-ren Ausbildung, Facharzt nach zwölf Jahren. Spricht man mit erfahrenen Ärz-ten, sagen sie, so richtig gut wurden sie erst ab Mitte 40 – denn dann habensie in ihrem Fachbereich tatsächlich so ziemlich alles gesehen. Was nochdazu kommt: Das medizinische Wissen verdoppelt sich etwa alle fünf Jahre.Jeder Arzt ist verpflichtet, sich laufend weiterzubilden.
„Das Medizinstudium hatdurch die umfassendepraktische Ausbildung anAttraktivität gewonnen.Das macht den Start in derBasisausbildung einfacherund man kann von Anfangan gut mitarbeiten.“ Dr.Markus Klamminger, stell-vertretender MedizinischerGeschäftsführer der NÖLandeskliniken-Holding,Leiter der Abteilung Medi-zinische Betriebsunterstüt-zung
behutsam in Sophies Ohr hineindreht: Wie viel Druck braucht es dafür? Was ist okay, was tutweh? Wie sieht das gesunde Trommelfell aus? Und wie würde es aussehen, wenn es be-schädigt wäre? Auch das Untersuchen muss man üben, stellen die drei fest. Und sie üben.Schließlich sollen sie erst gegenseitig den HNO-Status erheben, später bei „echten“ Patien-ten – natürlich in Begleitung eines Oberarztes. Oberärztin Magele ist der richtige Umgangmit den Patienten ein großes Anliegen: „Unsere Aufgabe ist hier der erste Patientenkontaktfür die Studierenden – und das beginnt beim Begrüßen: Wie stellt man sich zu Beginn derUntersuchung vor, wie spricht man mit den Patienten? Das ist ganz wesentlich für eine er-folgreiche Kommunikation.“ Matthäus darf es ausprobieren: Patientin Silberschneider ist be-reit für den anstehenden Check, sie hat hier an der Abteilung zwei Cochlea-Implantate be-kommen. Ohne diese würde sie so gut wie nichts hören. Matthäus fragt, wie es ihr geht undwarum sie heute da ist. Er macht es gut, die Oberärztin ist zufrieden. Warum sie sich so fürdie Studierenden einsetzt? „Weil das hier eine einzigartige Ausbildung ist – in meinem Studi-um waren wir 25 in einem Raum. Durch die persönliche Betreuung sind sie einfach wesent-lich sicherer im Umgang mit den Patienten, und das ist enorm wertvoll.“
Riki Ritter-Börner
DAS ENGAGEMENT DER NÖ LANDESKLINIKEN-HOLDING
Die NÖ Kliniken haben großes Interesse daran, heimische Maturan-tinnen und Maturanten zum Medizinstudium zu motivieren. Deshalbladen sie sie im Matura-Schuljahr zu Informationsveranstaltungen indie Klinikstandorte und informieren über den Ablauf des Studiums,die Jobaussichten, die Anmeldung zum Studium und den Aufnah-metest sowie die Vorbereitung für den Test und die finanzielle Un-terstützung dafür. Die NÖ Landeskliniken-Holding veranstaltet ei-nen zehntägigen Vorbereitungskurs für den MedAT-H Aufnahmetestsamt Test-Simulation in der Zentrale in St. Pölten. Einen Teil derKosten übernimmt das Land NÖ.
Auch die Kosten für den Test selbst werden gefördert. Ebenso er-halten Medizinstudierende einige Unterstützungen im Laufe desStudiums und im Klinisch-Praktischen Jahr (KPJ), dem letzten Stu-dienjahr, das sie an den NÖ Kliniken absolvieren können (wird ab-gegolten).
Informationen über Famulaturen, die NÖ MedSummer Schoolsund das
KPJ sowie über die Ausbildung nach dem Studium an den Kliniken:
Die NÖ Landeskliniken-Holding ist für die Führung, die Errichtungund den
Betrieb aller NÖ Kliniken verantwortlich. In den 27 Standorten sindetwa 20.500 Menschen beschäftigt, davon 3.600 Ärztinnen undÄrzte.
LH-Stv. Dr. Stephan Pernkopf (rechts hinten) bei einer Informationsveranstaltung für Maturantinnen undMaturanten. Hier gibt es alle relevanten Infos zum Medizinstudium.
Fördert, wie viele Abtei-lungsleiter in den drei Uni-versitätskliniken in St. Pöl-ten, Krems und Tulln, mitgroßem Engagement dieNachwuchs-Ausbildung:Prim. Univ.-Prof. Dr. GeorgSprinzl, klinische HNO-Ab-teilung im Universitäts- kli-nikum St. Pölten.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 05/2017