Der Christophorus 2 ist der einzige Rettungshelikopter in Österreich, der Tag und Nacht im Einsatzist. Bis 2019 wird erhoben, ob sich der kostenintensive Betrieb lohnt und auch andere Bundesländerin den Genuss einer 24-Stunden-Flugrettung kommen sollten.
Günter Grassinger istPilot und Stützpunk-tleiter des Christopho-rus 2 in Gneixendorf.Er hat seine Flugaus-bildung
beim Bundesheer ab-solviert und ist mit fast
8.000 Rettungsein-sätzen ein erfahrenerPilot.
Pager klingeln schrill. Auf den Monitoren in der Einsatzzentrale des Christo-phorus 2 in Gneixendorf bei Krems erscheinen Landkarten und Wetterdaten.Die Helikopterbesatzung, bestehend aus dem Piloten, dem Rettungssanitäterund dem Notarzt, macht sich bereit für den Einsatz. Wo befindet sich der Pa-tient? Was fehlt ihm? Und machen die Wetterverhältnisse einen Rettungsflugmöglich? Die drei Männer besteigen den Christophorus 2. Die Rotorblätterbeginnen sich langsam zu bewegen. Werden schneller und schneller. Ma-chen Lärm und erzeugen einen solchen Wind, dass der Maschendrahtzaunin zwanzig Metern Entfernung wild vibriert. Eine Frau wurde bei einem Ver-kehrsunfall schwer verletzt. In dreizehn Minuten wird der Hubschrauber ander Unfallstelle ankommen und das Team die Patientin versorgen. Der Hub-schrauber hebt ab in die finstere Nacht.
Tag und Nacht
Etwa drei Rettungseinsätze werden täglich mit demChristophorus 2 geflogen. Seit 1. Jänner 2017 nun auchin dn Nachtstunden. Möglich wurde das auszwei Grün-den: Vor zwei Jahren wurde der Stützpunkt weg vomUniversitätsklinikum Krems zum Flugplatz in Gneixendorfverlegt. Dort werden keine Anrainer gestört, wenn derlaute Hubschrauber abhebt und wieder landet. Der zwei-te Grund ist, dass das Land Niederösterreich die Finan-zierung der Nachtflüge übernimmt. Die Testphase ist biszum 1. Jänner 2019 geplant. Danach soll evaluiert wer-den, ob sich die Nachtnutzung rentiert. Niederösterreichist damit Vorreiter. In vielen Nachbarländern wieDeutschland, Tschechien oder der Schweiz gibt es zwarnächtliche Rettungsflüge, in Österreich ist dies aber einNovum. „Ein längerer Betrieb erfordert natürlich auchmehr Personal“, erklärt Stützpunktleiter und Pilot GünterGrassinger, „zehn Piloten, 26 Notärzte und 13 Flugrettersind derzeit in Gneixendorf aktiv, um einen 24-Stunden-
Betrieb zu gewährleisten und die Rettungskräfte auch nachts zu unterstützen.“ Doch das zusätzliche Personal war nicht der einzi-ge Kostenfaktor. Nachtsichtbrillen mit einem Stückpreis von 12.000 Euro wurden angeschafft, damit der Hubschrauber auch ab-seits von beleuchteten Landeplätzen aufsetzen kann. Außerdem war ein zweiwöchiges Training für die gesamte Crew notwendig,sowie diverse Genehmigungen. „Alles in allem sprechen wir von etwa 80.000 Euro, damit die Nachteinsätze möglich wurden“, er-läutert Grassinger.
Neue Anforderungen
Geflogen wird ausschließlich in Niederösterreich. Ab einer Flugzeitvon 30 Minuten ist ein Einsatz für nämlich nicht mehr sinnvoll. Dannkann der Patient mit einem Notarztwagen vor Ort schneller erreichtwerden. Bei Finsternis sind solche Einsätze eine besondere Her-ausforderung. Da mit Nachtsichtbrillen geflogen wird, ist das Sicht-feld des Piloten stark eingeschränkt – ähnlich wie bei einem Fern-glas. Deshalb muss der Flugretter, so wird der Notfallsanitäter imHubschrauber genannt, ebenfalls eine Nachtsichtbrille tragen undden Piloten beim Flug unterstützen. Er weist ihn auf Hindernisse hinoder gibt ihm die Flugdaten wie Geschwindigkeit oder Höhe an, da-mit sich der Kapitän auf andere Dinge konzentrieren kann. PilotGrassinger erzählt: „Die Brille hängt vorne am Helm und ist 1,2 Kilo-gramm schwer. Weil das Sichtfeld eingeschränkt ist, muss man denKopf viel mehr bewegen als sonst. Das ist bei langen Einätzen sehranstrengend.“ 15 solcher Nachteinsätze wurden im Jänner 2017geflogen. Pilot Günter Grassinger selbst hat bereits etwa 8.000 Ret-tungsflüge hinter sich. Nach der Landung übernimmt der Notarztdas Kommando. Der Pilot nimmt die Daten des Patienten auf, über-nimmt die Anmeldung im Krankenhaus, macht Fotos für die Doku-mentation und hilft bei der Bergung mit. Außerdem behält er denÜberblick über die Situation am Boden, wie Grassinger erklärt: „DerPilot muss nicht in erster Linie den Patienten versorgen und verfälltdeshalb nicht in einen Tunnelblick, wie das bei Notärzten, die sichvoll und ganz auf ihre Tätigkeit konzentrieren müssen, oft der Fallist.“ Die Rettungsflüge hinterlassen auch bei der Crew ihre Spuren.Nach drei Einätzen oder vier Stunden Flugzeit in einer Nacht mussjedes Crewmitglied eine Müdigkeits-Score-Karte ausfüllen. Das Er-gebnis dieses kurzen Tests zeigt an, ob man für einen weiteren Ein-satz bereit ist oder nicht. Wenn ein Crewmitglied zu müde für einenweiteren Flug ist, wird kein Einsatz mehr angenommen. Außerdemmuss nach jedem Flug ein Fragebogen ausgefüllt werden, der vomAir Rescue College des ÖAMTC ausgewertet wird. So soll mit wis-senschaftlichen Methoden erhoben werden, wie sinnvoll die 24-Stunden-Nutzung des Helikopters ist. Bei Schlechtwetter, wenn derChristophorus 2 nicht fliegen kann, ist die Crew ebenfalls nicht un-tätig. Seit dem 1. Jänner steigen Rettungssanitäter und Notarzt inein neu angeschafftes Auto, das über dieselbe Ausrüstung wie derHelikopter verfügt. Sie fahren dann Rettungseinsätze wie jeder an-dere Notarztwagen auch, bis sich die Wetterlage wieder bessert.
MARKUS FEIGL
Mit einer Nachtsichtbrille wie dieser landen Piloten wie Günter Grassingerauf dunklen Straßen und Feldern, um Patienten auch in der Nacht versor-gen zu können.
Namensgeber: Christophorus
Christophorus ist der Schutzheilige der Reisenden. DerSage nach war er ein Riese, der ursprünglich Offerus hieß.Der Riese war auf der Suche nach dem mächtigsten Herr-scher, dem er dienen konnte, fand ihn aber nicht. Bis ihm
jemand sagte, dass Gott der mächtigste Herrscher wäre.Offerus sah es als Gottes Willen an, dass er mithilfe seinerRiesenhaftigkeit Menschen auf seiner Schulter über einenFluss trug, um ihnen ihren Weg zu verkürzen. Bei einem
Kind beschwerte er sich einmal: „Kind, du bist so schwer,als hätte ich die Last der ganzen Welt zu tragen!“ Das Kindantwortete: „So ist es, denn ich bin Jesus, der Heiland.Und wie du weißt, trägt der Heiland die Last der ganzenWelt.“ Als Offerus das Kind am anderen Ufer absetzte, sag-te es zu ihm: „Du hast den Christ getragen, von jetzt andarfst du Christofferus heißen.“
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 03/2017