In der Pause radeln, Rechenergebnisse stampfen oder jonglieren: Das Pilotprojekt »Be-wegte Klasse macht Schule« bringt mehr Schwung in den Schultag.
Idyllisch liegt Altenmarkt an der Triesting zwischen Wäldern und Hügeln mitten im Wienerwald. Hügelig ist auch der Schul-garten der kleinen Volksschule, die Kinder klettern in der Pause die steile Böschung hoch, um bei den Sträuchern undBäumen zu spielen. Im Schulgebäude ist ähnliche Kreativität gefragt: Das alte Haus bietet wenig Platz, um ein Mehr an Be-wegung im Schulalltag zu integrieren. Ein Grund mehr für Direktorin Elisabeth Pfalz und ihr Team, sich für »Bewegte Klassemacht Schule« der Initiative »Tut gut!« zu bewerben. Dieses Pilotprojekt soll die bewährte »Bewegte Klasse« auf die ge-samte Schule ausweiten und dafür sorgen, dass mehr Bewegung im Schulalltag selbstverständlich wird. Im September2015 starteten sechs Schulen, auch Altenmarkt an der Triesting wurde ausgewählt. Mit einer eigenen Betreuerin an derSeite lud die Schule Pädagogen, Kinder und Eltern zur Bewegungskonferenz. Sie gestalteten Poster mit ihren Anliegen:Eine Wiese zum Austoben, ein Rückzugsort in der Schule, ein Heimtrainer und bequemere Sessel standen auf derWunschliste. Und natürlich die Gestaltung des Gartens, der nur aus einer steilen Wiese besteht. Viel zu tun für eine kleineSchule, die sich ins Zeug legte. Und bewiesen hat: Wenn alle zusammenhelfen, lässt sich sehr viel erreichen.
Bewegt durch die Pause
Zwei Jahre später sitzen die Kinder auf neuen ergonomischen Sesseln. Fixe Pausenzeiten gibt es nicht mehr. Und in denPausen geht es in der Altenmarkter Schule rund: In Kisten gibt es Sportgeräte wie Springschnüre, Balanciergeräte oderJonglierbälle, mit denen die Kids ganz nebenbei auch ihr Gehirn trainieren. Vor der Türe der dritten Klasse steht ein Heim-trainer, den jemand gespendet hat. Schnell schwingt sich eine Schülerin auf den Sattel und radelt ihre überschüssige En-ergie heraus. Manche Kinder suchen statt der Bewegung eine Rückzugsmöglichkeit – ein großer Wunsch bei der Bewe-gungskonferenz. Von Liegen und Matten war die Rede. Und dass die Bühne im Turnsaal ein geeigneter Platz wäre. Die istnun ein Rückzugsort, durch einen Vorhang vom Turnsaal getrennt, mit Hängesesseln und Liegen. Denn manchmal tut esgut, einfach nichts zu tun, zu schaukeln und ruhig zu werden. In der Ecke gibt es einen Boxsack, Paul boxt immer wieder,er gehört zu den aufgeweckteren Burschen und stellt seine Kraft gerne unter Beweis. Mitten im Raum steht ein Spielpferd,das die Mädels begeistert. Sie klettern darauf herum, striegeln es und spielen damit.
All diese Angebote in Altenmarkt passen genau in das Konzept der »Bewegten Klasse macht Schule«: Bewegungspausensollen in den Schulalltag integriert werden. Und auch der Unterricht wird bewegter: Die 1a-Klasse startet mit einem tägli-chen Morgenlied samt Bewegungen. Beim Kopfrechnen stampfen die Kinder das Ergebnis. Ebenso lassen sich Buchsta-ben mit dem Körper darstellen. So erarbeiten sich die Tafelklassler in Freiarbeit an Bewegungstationen Lerninhalte. Unddie zweite Klasse lernt neue Lernwörter spielerisch in Form eines Laufdiktates. „Bewegung ist eine der wesentlichen Vor-aussetzungen für eine gesunde körperliche, geistige und seelische Entwicklung. Wenn in einer Schule Bewegungsaktivitä-ten unterstützt und gefördert werden, hat diese auch positive Auswirkungen auf die Lern- und Leistungsfähigkeit“, sagtProjektleiterin Mag. Alexandra Benn-Ibler.
60 Minuten am Tag
Bewegung, die den Puls in die Höhe treibt und denSchweiß ins Gesicht bringt, ist unbedingt notwendig– laut der österreichischen Bewegungsempfehlungfür Kinder und Jugendliche. Sie sollen sich jedenTag mindestens 60 Minuten lang in mittlerer Intensi-tät bewegen – das heißt so intensiv, dass Sprechennoch möglich ist, singen aber nicht mehr. Wichtigist auch, die großen Muskelgruppen des Körpers zutrainieren. Muskelkräftigend sind etwa Kniebeugenund Liegestütz, knochenstärkend das Laufen undHüpfen. Und wenn eine sitzende Tätigkeit längerals 60 Minuten andauert, sollte sie von kurzen Be-wegungseinheiten unterbrochen werden. Wochen-tags funktioniert das ganz gut, an den Wochenen-den eher nicht – das zeigen Aufzeichnungen vonSchrittmessern. In der Volksschule Altenmarkt istnoch nicht alles getan: Der äußerst steile Gartenwird in naher Zukunft gestaltet, die Kinder wün-schen sich eine Schaukel, eine Rutsche und einenKletterturm. Doch auch jetzt finden die
Kinder immer etwas, womit sie kreativ sein können. Sie klettern die Bäume am Rande des hügeligenGartens hinauf, die Blumen und Gräser verarbeiten sie in alten Kochtöpfen. Ein Mädchen mischteinen Salat aus Löwenzahn, Gräser und Blumen, die Kinder „verkosten“ begeistert. Um den Schülernzusätzlich zum hügeligen Schulgarten eine Möglichkeit zum Austoben zu bieten, fanden Gemeindeund Schule eine Lösung: Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gibt es eine Wiese. Im Turnunter-richt gehen die Pädagoginnen mit den Kindern hinüber; vor allem Fußball steht hoch im Kurs. Ausge-lassen jagen die Kinder dem Ball nach, der immer öfter im Tor landet.
Die Pilotphase »Bewegte Klasse macht Schule« läuft noch bis Juni 2018. In Altenmarkt herrscht imganzen Schulgebäude eine beschwingte Atmosphäre – die neuen Möglichkeiten, sich während derSchulstunden und Pausen zu bewegen, tun Kindern wie Lehrpersonal gut. So ist es auch in anderenPilot-schulen: In der Volksschule Pfaffenschlag wurde gemeinsam ein neuer Schulgarten angelegt,die Pädagoginnen bekamen neue Schreibtischsessel und die Kinder bewegen sich am Vormittagsehr viel – nicht verwunderlich, dass die Schule bei sportlichen Wettbewerben oft als Sieger her-vorgeht. In Groß Gerungs hat sich die Einstellung der Lehrkräfte zum Thema Bewegung geändert:Die Rhythmisierung der Pausen setzt die Schule bereits um, die Rückzugsinsel ist fix geplant. Und in
der Volksschule Leobendorf schwingt seit zwei Jah-ren das Thema Bewegung im Schulalltag mit – obbei der Gestaltung des Außenbereichs, in der be-wegten Pause oder beim Abschlussfest.
Miteinander ans Ziel
Dieses Mitschwingen von Bewegung ist es, wasdas Projekt »Bewegte Klasse macht Schule« errei-chen möchte. Täglich 60 Minuten Bewegung sollenin den Schulalltag integriert und mit der Zeit ganzselbstverständlich sein. Dass Kinder dankbar undneugierig sind, wenn ihnen Gelegenheiten zumAustoben und Bewegen geboten werden, zeigt derBesuch in Altenmarkt. Klar ist: Um den Kindern ei-nen Schulalltag mit mehr Bewegung zu ermögli-chen, müssen alle an einem Strang ziehen – Schu-le, Eltern und Gemeinde. Dieses Miteinander funk-tioniere bestens, strahlt die Altenmarkter Direktorin.Und es führt zu einem bewegteren Leben in und umdie Schule.
Daniela Rittmannsberger
Ob Fußball oder Klettern: In den Pausen toben sich die Kinder der AltenmarkterVolksschule so richtig aus.
In der „Entspannungshöhle“ kommen die Kinder zur Ruhe undschöpfen Kraft für intensive Unterrichtsstunden.
In der „Entspannungshöhle“ kommen die Kinder zur Ruhe undschöpfen Kraft für intensive Unterrichtsstunden.
In der „Entspannungshöhle“ kommen die Kinder zur Ruhe undschöpfen Kraft für intensive Unterrichtsstunden.
»Bewegte Klasse
macht Schule«
Pilotschulen:
-VS Altenmarkt an der Triest-ing
-VS Groß Gerungs
-VS Leobendorf
-VS Pfaffenschlag
Tipps für die Hausaufgaben
Bewegung unterstützt die Entwicklung des Kindes – und das Lernen. Und das kann man auch zuHause nützen: Bei einem Lesespaziergang liest das Kind der Mama oder dem Papa im Gehen ei-nen Text vor oder erzählt den Eltern beim Herumspazieren, was es eben gelesen hat. So festigt esdas Gelesene. Zur Abwechslung lernen Kinder auch einmal gerne an einem anderen Ort – untereinem schattigen Baum oder auf der Couch. Für bewegte Pausen gehen Eltern am besten mit gu-tem Beispiel voran: ein Hüpfspiel auf der Treppe, ein bisschen Ball spielen usw. Gemeinsame Be-wegung macht mehr Spaß und sorgt dafür, dass das Lernen im Anschluss besser klappt
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 08/2017