Wie kommt man gut durch Krisen im Leben? GESUND&LEBEN sprach mit Krisen-ExpertinSabine Edinger, die gemeinsam mit zwei Kolleginnen ein Buch darüber geschrieben hat.
Wirtschaftskrise, Flüchtlingskrise, Midlife Crisis und „Ich-krieg-die-Krise“-Krise – die ganze Welt scheint voller Krisen zu sein. Was ist dalos?
Wir benutzen das Wort gern inflationär und ein bisschen unscharf. Eine Kriseist eine besondere Situation, in der unsere herkömmlichen Werkzeuge nichtfunktionieren, in der es nicht ausreicht, mit den gewohnten Strategien undLösungsansätzen weiterzukommen. Manches im persönlichen Leben, waswir Krise nennen, ist vielleicht nur ein Problem.
Und was ist dann eine persönliche Krise?
Eine persönliche Krise kann durch vieles ausgelöst werden. Da sind zum ei-nen Ereignisse wie ein Unfall, eine schwere Erkrankung, ein Todesfall im na-hen Umfeld, Verluste oder Trennungen. Es gibt aber auch Entscheidungskri-sen oder Reifungskrisen, die an den Veränderungszonen unseres Lebensauf uns zukommen, wie etwa die Pubertät, die Wechseljahre, die Pensionie-rung und so weiter. Auch Situationen, die wir normalerweise positiv bewertenwie sich verlieben, heiraten, die Geburt eines Kindes, ein Umzug oder eineBeförderung kann eine persönliche Krise auslösen, weil die Veränderung,die mit diesem Ereignis einhergeht, uns überfordert.
Krisen haben ein schlechtes Image – sie stören, sie kosten Kraft. Habensie denn auch positive Seiten?
Durchaus. In Krisenzeiten erfahren wir mehr über uns. Wir stellen uns nöti-gen Herausforderungen zur Veränderung und bewältigen sie früher oderspäter meist auch gut. Wir lernen dabei viel über uns selbst, über unsere Fä-higkeiten und auch über unsere Grenzen. Und es kommt zu einer Wertever-schiebung. Die Prioritäten verändern sich. Das was uns stets wichtig er-schien, bekommt einen ganz anderen Stellenwert und anderes gewinnt anBedeutung. Insofern sind Krisen auch Chancen, uns neu auszurichten odergar einen Neubeginn zu wagen.
Kann man denn auch vorbeugend etwas tun? Dass man vielleicht garnicht in eine Krise gerät oder leichter wieder herauskommt?
Das kann man, ja. Tatsächlich ist so manche Krise selbstgestrickt. Gerateich immer und immer wieder in ähnliche Situationen, die mich aus der Bahnwerfen, Konflikte hervorbringen und mich unglücklich machen, muss ichmich mit meinen eigenen Mustern im Leben auseinandersetzen. Wenn wirschlau sind, verändern wir schon vorher Dinge in unserem Leben und war-ten nicht darauf, dass wir durch eine Krise dazu gezwungen werden. Gene-rell gilt, wie sehr einen zum Beispiel der Verlust des Arbeitsplatzes, einenicht bestandene Prüfung oder eine Trennung trifft und wie gut man dieseKrise überwindet, hängt damit zusammen, welche inneren und äußeren Res-sourcen zur Verfügung sind und wie gut man darauf zugreifen kann.
Da geht es also darum, wer man ist und wie man sein Leben im Griffhat?
Ja, denn meistens sind ein oder mehrere der folgenden Lebensbereiche be-troffen:
• unser Körper sprich unsere Gesundheit, das meint auch diementale Gesundheit
• unsere sozialen Beziehungen
• unsere Arbeit oder das was wir tun und leisten
• unsere materielle Sicherheit wie Einkommens-, Wohn- undLebensverhältnisse
• unsere Werte und inneren Überzeugungen
Ich kann mir jeden einzelnen dieser fünf Bereiche vornehmen und schauen,was gut ist und was ich ändern sollte und könnte. Wenn ich in drei oder vierder Bereiche zufrieden bin, stehe ich stabiler im Leben, als wenn in fast allenBereichen wichtige Dinge nicht passen. Indem ich mich mit diesen Themenauseinandersetze, kann ich mir mehr Stabilität verschaffen und falle nicht soleicht um, wenn der Wind einmal schärfer weht.
Womit kann man Menschen in krisenhaften Zeiten Mut machen? Wasraten Sie ihnen?
Ich finde es hilfreich zu wissen, dass Krisen gewissen Gesetzmäßigkeitenfolgen und dass sie auch irgendwann vorbei sind. Diese Gesetzmäßigkeitenwaren auch der Grund, dass ich dieses Buch schreiben wollte. So ein Buchhätte ich mir in meinem Leben oft gewünscht, denn es zeigt Zusammenhän-ge auf. Es ist nicht nur ein Krisen-Buch geworden, sondern ein Lebens-Buch, eines, in dem es um ein wirklich gutes Leben geht und um die Befrei-ung aus alten Mustern.
Sabine Edinger ist Sozi-alpädagogin, Krisen-und Notfall-Beraterin, In-tegrative Bewegungsthe-rapeutin, Autorin und Re-ferentin im Bereich Päd-agogik und Gesundheits-prävention, unter ande-rem für die Initiative »Tutgut!«. Gemeinsam mitder Sozialarbeiterin undPsychotherapeutin IrenePenz und GESUND&LE-BEN-ChefredakteurinFriederike Rit-
ter-Börner schrieb sie das Buch „Krisen meistern.Der Leitfaden für ein starkes Danach“
Maudrich. ISBN: 978-3-99002-017-3, 19,90 Euro
Edinger und Ritter-Börner schrieben bereits 2009 fürdie Initiative »Tut gut!« mit weiteren Autoren dasBuch „Wohlbefinden und Lebenssinn. Wege zurmentalen Gesundheit“, das Sie auf www.noetutgut.atunter Service/Produkte oder unter Telefonnummer02742/22655 bestellen können.
Krisen meistern
SOFORTHILFE IM AKUT-FALL
-Achten Sie auf Ihre Grundbedürf-nisse: So banal das klingt, essen,trinken und schlafen sind die Ba-sics. Bewegung an der frischenLuft, und sei es nur eine Rundeum den Block, macht das Gehirnfrei. Wenn wir uns bewegen,kommt etwas in Bewegeung. Unddas Wahrnehmen der Natur kanneinen zur Ruhe kommen lassen,zumindest für ein paar Augenbli-cke. Der Kontakt zu Freunden undFamilie ist wichtig - auch wenn esmanchmal Überwindung kostet,sich einem anderen Menschen zuöffnen. Durch diese ganz grundle-genden Dinge bekommen Sie En-ergie, um durchzuhalten.
-Schaffen Sie trotzdem das Nötigs-te, in der belasteneden Situationist das schon viel - ob es das Fül-len der Waschmaschine ist oderdas Versorgen der Familie oderdie tägliche Bewältigung des Be-rufsalltags.
-Halten Sie an kleinen Alltags-Strukturen und Gewohnheiten fest,die Ihnen gut tun.
-Holen Sie sich Hilfe von außen -manchmal braucht es Profis, umerste Schritte zu schaffen.
-Informieren Sie sich - Wissen hilft,schwierige Situationen besser ein-zuordnen; und halten Sie Aus-schau nach Vorbildern, an denenSie sich orientieren können.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 06+07/2016