Wie ernährt man ein Neugeborenes und wie einenSäugling mit ersten Zähnchen? Im erstenLebensjahr ist das Thema Essen besondersspannend und anspruchsvoll-.
Das Baby ist da – und braucht Zuwendung, Schutz, Wärme, Geborgenheit, Kuscheln, trockene Windeln und Nahrung. Muttermilch ist da-s, was die Natur vorgesehen hat, und sie bietet viele Vorteile: Man hat sie immer mit dabei, muss nichts zubereiten, keine Fläschchen sterilisie-ren – und wenn das Baby Hunger hat, gibt es auch meist genau die richtige Menge in der perfekten Zusammensetzung. Praktisch und v-or allem sehr gesund. Deshalb ist es wunderbar, wenn Mütter stillen können. Doch das gelingt nicht immer auf Anhieb, das ist auch kein Dr-ama: Bei Problemen helfen Hebammen und Stillberaterinnen. Viele Mütter und Kinder, die anfangs Schwierigkeiten hatten, konnten dies-e durch Geduld, fachlich gute Unterstützung und Durchhalten überwinden. Ein gemeinsamer Kraftakt, der sich für viele Mütter und Kind-er lohnt.
Warum Muttermilch die beste Nahrung für ein Baby ist, ist noch nicht ganz erforscht. Sie enthält jedenfalls alles, was das Neugeborene ger-ade braucht und verändert sich in ihrer Zusammensetzung und Menge nach dem Bedarf des Kindes. Deshalb sollte man auch Stillkinderdann an die Brust lassen, wenn sie es wollen, sagt Mag. Ingeborg Hanreich, Ernährungswissenschafterin und Stillberaterin, weil sich dannMilchmenge und -zusammensetzung entsprechend den Bedürfnissen des Babys verändern können: „Muttermilch weist eine Vielzahl an i-mmunologisch wirksamen Substanzen und Zellen auf. Deshalb sollte abgepumpte Muttermilch auch nicht in der Mikrowelle erwärmt werden,denn dann geht Wichtiges verloren. Diese Stoffe zur Stärkung der Abwehrkraft des Babys wirken auch gegen die Krankheiten, die die Mutt-er ‚anfliegen‘. Sie bieten also – anders als Flaschenkost – einen allgemeinen sowie einen speziellen Schutz vor Erkrankungen.“
Bestens abgestimmt
Muttermilch liefert unter anderem Fett und die dazu passenden Enzyme zur Verdauung gleich mit, berichtet Hanreich. Und sie kann nochmehr: Zu Beginn einer Stillmahlzeit ist die Muttermilch dünnflüssiger und löscht den Durst, später ist sie fettreicher und stillt den Hunger.„Das Kind kann also nach seinen Bedürfnissen handeln und beispielsweise im Sommer, wenn es heiß ist, öfter und kürzer trinken als sonst.Sobald Mutter und Kind gelernt haben zu stillen, trinkt das Baby, so oft es hungrig ist und nur so viel, wie es braucht.“ Trotz der vielen Bemü-hungen von Müttern, Hebammen und Stillberaterinnen gelingt es nicht allen Mutter-Kind-Gespannen zu stillen; manchmal ist es auch ausgesundheitlichen Gründen nicht möglich. Dann und wenn Mütter nicht mehr stillen können oder wollen, ist industriell hergestellte Flasche-nnahrung die beste Alternative. Sie wird laufend nach den neuesten Erkenntnissen über Muttermilch optimiert, erklärt Hanreich und rät: „Wä-hlen Sie am besten PRE-Nahrung für das ganze erste Lebensjahr, denn diese ist der Muttermilch am ähnlichsten. Nach dem ersten Geburts-tag können Sie dann langsam auf normale Kuhmilch als Getränk umsteigen.“
Beikost – ein richtiges Abenteuer
Mit etwa einem halben Jahr sind Babys bereit für die sogenannte Beikost. Dann gilt es, zur Muttermilch oder Flaschennahrung andere L-ebensmittel und Getränke anzubieten. „Auch in dieser Zeit signalisiert Ihnen Ihr Baby den optimalen Beginn, der für Sie eher ausschlagg-ebend sein soll als alle Empfehlungen.“ Hanreich, die auch zahlreiche Koch- und Ernährungsbücher für Schwangere, Stillende, Babys undKinder geschrieben hat, weiß: „Laut österreichischer Beikost-Richtlinie soll die erste Beikost zink- und eisenreich sein. Auch Vitamin C (zurbesseren Aufnahme des Eisens) und Betacarotin, hochwertige Öle und die richtige Eiweißmenge sollen bald im Speiseplan zu finden sein"
Wird ein Kind gestillt, so kann man langsam, je nach Vorliebe des Kindes, Zutat für Zutat in Breien anbieten. Anfangs empfiehlt sich gekoc-htes Gemüse und Obst; wer durch die familiären Belastungen eine Allergie befürchtet, lässt vor jedem neuen Lebensmittel je vier Tage Ab-stand und kann so sehen, wie das Baby auf das neue Nahrungsmittel reagiert. Beikost-Fahrpläne erleichtern Eltern die Auswahl, dafür gibtes zahlreiche Anbieter.
Vegetarische Ernährung ist laut Ingeborg Hanreich machbar, die Fachfrau rät aber von einer rein veganen Ernährung entschieden ab. Mutmacht sie, Gemüse und Obst selbst zu kochen und dann zu pürieren: „Das ist wirklich keine Hexerei – und gelingt selbst Eltern, die davorwenig Kocherfahrung gesammelt haben. Wer schon einmal den Geruch und Geschmack von im Topf oder Dampfgarer gedämpften, pürie-rten Karotten mit einem Karottengläschen verglichen hat, ist sich der Qualitätsdifferenz bewusst.“ Auch Hokkaido-Kürbis, Zucchini oder Pas-tinaken eignen sich hervorragend für erste Breimahlzeiten. Bald schon könne man diese Speisen mit einem Teelöffel Rapsöl aufwerten, dergut für den Aufbau der Zellwände ist, sagt Hanreich. „Als dritte Zutat kommen glutenfreie Beilagen dazu, wie Erdäpfel, Reis oder Maisgrieß.Dann erst wird dem Nachwuchs Fleisch in kleinen Mengen angeboten und mit Vitamin-C-reichem Saft ergänzt.“
Vorrat anlegen
Hanreich rät Eltern, die selbst kochen, gewisse Lebensmittel im Herbst auf Vorrat zuzubereiten und einzelne Komponenten getrennt in Eis-würfelbehältern tiefzufrieren. Das hilft, schnell eine vollwertige Mahlzeit zuzubereiten. Die Ernährungswissenschafterin verrät in ihren Bü-chern auch zahlreiche Tricks. So lasse sich (biologisches) Rindfleisch leichter pürieren, wenn es vorher zwei Mal faschiert wurde. „Pro Port-ion Gemüse-Beilagen-Brei (mittags oder abends) reichen ein bis zwei Eiswürfelchen Fleischbrei aus.“ Einige Zutaten sind im ersten Lebens-jahr nichts für Ihr Kind, betont Hanreich: „Alkohol, Limonade, Süßstoffe, Süßigkeiten, Salz, scharfe Gewürze, Käse, Wurst, Bohnen, Pilze, ro-her Honig, ganze oder zerteilte Nüsse sollten Sie im ersten Lebensjahr unbedingt meiden!“
6 bis 9 Monate
Manche Babys beginnen erst zwischen sechs und neun Monaten, die Löffelkost zu erforschen, andere essen in diesem Alter schon eifrigden Mittags- und vielleicht schon den Nachmittagsbrei. „Dieser besteht aus gedämpftem Obstmus (z. B. Apfel oder Birne) und geringenMengen an glutenhältigem Getreide. Diese Menge steigert man langsam im Zwei-Wochen-Abstand. So wird die Gluten-Unverträglichkeit Z-öliakie weitgehend hintangehalten“, erklärt Hanreich-.
Da nun schon die ersten Zähnchen da sind, kann im achten Monat langsam die Textur der Mahlzeiten gröber werden. Hanreich empfiehlt:„Sie können zum Beispiel zerdrückte Erdäpfel unter den Brei mischen. Viele Kinder lieben zusätzlich Fingerfood – weichgekochte Stückchenvon Kürbis, Karotte oder Kartoffel und später Birne oder Banane statt dem Frischobstbrei.“ Schließlich kommt der Getreide-Milch-Brei alsdritte Breimahlzeit dazu. Entweder wird eine Stillmahlzeit durch einen Getreide-Wasser-Obstmusbrei ergänzt oder der Brei kann mit PRE-Nahrung oder auch kleinen Mengen biologischer Kuhmilch zubereitet werden. „Kuhmilch soll aber wegen der anderen Eiweißzusammense-tzung nicht als Getränk verwendet werden. Auch Milchprodukte (Topfen, Käse) sind noch zu eiweißreich.“
10 bis 12 Monate
Langsam und vorsichtig angepasst an das Befinden des Kindes stellen Sie die Ernährung in diesen Monaten auf Familienkost um, rät Ha-nreich: „Achten Sie jetzt noch auf die richtige Ölzufuhr und die milde Würzung (kein Salz!). Auch rohe Getreideflocken sind tabu. Es kann alsoin den letzten drei Monaten des ersten Lebensjahres noch nicht alles vom Familientisch mitgegessen werden.“ Nach dem ersten Geburtstagdarf Ihr Kind einen bunten Mix an Nahrungsmitteln essen. „Führen Sie Ihr Kind langsam an eine ausgewogene Ernährung heran.“ Lehnt IhrKind ein Lebensmittel ab, braucht es vielleicht mehrere Anläufe, bis es sich an den Geschmack gewöhnt. Lassen Sie sich nicht abschr-ecken, wenn es nicht gleich von Anfang an hellauf begeistert ist. Wenn Mama, Papa und der Rest der Familie ausgewogen essen, steht aucheiner gesunden, ausgewogenen Ernährung Ihres Kindes nichts im Wege. Denken Sie immer daran: Sie sind Vorbild, ob Sie wollen odernicht. Ihr Essverhalten wird nachgeahmt – vielleicht nicht gleich, aber langfristig ganz bestimm-t.
Riki Ritter-Börner
BUCHTIPP
Ingeborg Hanreich: Essen & Trinken im
Säuglingsalter. Stillen von A – Z. Alles zur Flaschenkost. Beikostmit Plänen.
ISBN: 978-3-901518-33-1
Ingeborg Hanreich,
Britta Macho: Rezepte & Tipps für Babys Beikost-.
ISBN: 978-3-901518-31-7
Hirsetopf mit Fenchel
Menge für 1 Portion ab 11. Monat, 125. Tag, vegetarisch
Zutaten: 2 EL Hirse, 50 g Bio-Karotten (1 kleine Karotte), 50 g Bio-Fenchel,100 ml Wasser (babytauglich), 2 TL Rapsöl, 1 TL Petersilie gehackt, 3–4 ELApfelsaft, ev. etwas Salz (nach dem ersten Lebensjahr)
Zubereitung: Waschen Sie die Hirse sechs- bis siebenmal heiß. Waschen undputzen Sie die Karotte und schneiden Sie sie in feine Scheiben. SchneidenSie nun den gewaschenen und geputzten Fenchel in feine Streifen. LassenSie das Wasser aufkochen, geben Sie die Hirse sowie das Gemüse und dasRapsöl hinein. Garen Sie den Eintopf auf kleiner Flamme circa 20 Minutenlang und fügen Sie dann die Petersilie, den Apfelsaft (und für Kinder nachdem ersten Lebensjahr etwas Salz) hinzu.
Variation: Statt der Hirse können Sie auch (Vollkorn-)Nudeln oder (Vollkorn-)Reis verwenden. Diese enthalten jedoch weniger Eisen als Hirse.
Wann das Baby Hunger hat
Babys zeigen, wenn sie Hunger haben. Auf-merksame Mütter können diese Zeichen baldvon anderen Signalen unterscheiden. Zeichenfür Hunger sind:
-nschnelle Augenbewegunge-n
-nsuchendes Hin- und Herdrehen des Kopfe-s
-nerhöhte Wachheit und Aktivität
-nsuchende Bewegung des Munde-s
-nleises Seufzen und Schmatzen
-nSaugen an der eigenen Hand
Wann es Zeit für Beikost ist
Babys zeigen, wann sie bereit sind, ihrenSpeiseplan zu erweitern:
-intensivere Beobachtung und In-den-Teller-Greifen
-Kaubewegung machen, während andere es-sen
-Greifen mit zwei Fingern und zum Mund füh-ren
-fast alleine sitzen und länger den Kopf guthalten können
-Das Baby braucht mehr Nahrung-.
-ev. schon erste Zähne da
-Baby kann breiige Speise mit der Oberlippeselbst vom Löffel nehmen.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 10/2018