Claudia Altmann-Pospischek ist unheilbar an Brustkrebs erkrankt. Seit 2016 bloggt die Wiener Neustädterin über ihr Lebenmit dem Krebs als „Beifahrer“.
5. Juli 2015. An diesem Tag hätte Claudia Altmann-Pospischek eigentlich gar nicht mehr da sein sollen. ZweiJahre zuvor erhält sie die Diagnose Brustkrebs. Bei einem Körperscan nach der Operation finden die ÄrzteMetastasen in der Leber und in den Knochen. Zwei Jahre habe sie noch zu leben, sagt der Arzt zu Claudia.Sie bereitet sich auf das Schlimmste vor. Es tritt aber nicht ein. Der Tag, an dem sie sterben hätte sollen, wirdzum Wendepunkt. Sie beschließt, sich auf das Leben zu konzentrieren. Und lebt mittlerweile seit sieben Jah-ren mit ihrer unheilbaren Krankheit.
Die Claudia ohne Krebs sei ein sehr glücklicher Mensch gewesen, erinnert sich die heute 45-Jährige zurück.Sie reist gerne gemeinsam mit ihrem Mann Peter. Beruflich ist sie für die Medienarbeit der Stadt Wiener Neu-stadt zuständig, wo sie auch in einem kleinen Reihenhaus lebt. Sie unternimmt viel mit ihren Eltern und ihrenFreunden. Auf ihren Reisen fotografiert sie leidenschaftlich und liebt Elektropop aus den 80er-Jahren. Ihr aller-liebstes Reiseziel ist England. Und dort merkt sie zum ersten Mal, dass etwas nicht stimmt: „Ich bin Bauch-schläferin und hatte in der Nacht das Gefühl, dass da etwas ‚eingezwickt‘ ist.“ Nächsten Tag sticht es in derBrust. Es habe sich angefühlt wie eine kleine Erhebung, erzählt sie. Noch während der Reise vereinbart sieeinen Termin beim Gynäkologen, der zunächst von einer erweiterten Milchdrüse ausgeht. Claudia aber be-harrt auf eine Mammografie. Im Röntgeninstitut hört sie dann jenen Satz: „Sie haben eine bösartige Tumorer-krankung.“ „Sie meinen Krebs?“, fragt Claudia. „Ja.“
TABU BRECHEN
Im ersten Moment habe sie sich gefühlt, als träume sie, erzählt Claudia Altmann-Pospischek. Die Erkrankungkommt aus dem Nichts – in ihrer Familie gibt es keinen einzigen Krebsfall, sie lebt bis dato ein gesundes undunbeschwertes Leben. Angst und Panik schnüren ihr die Kehle zu. Ihren Mann ruft sie nach der Diagnose anund weint. Ihrer Familie und ihren Freunden erzählt sie es „frei von der Leber weg“ und erkennt die Angst inden Gesichtern. Und auch Irritation, denn man sieht ihr den Krebs nicht an. Die junge Frau fällt in ein tiefesLoch. Zuerst kommt die Operation, dann eine weitere Untersuchung, danach die Hiobsbotschaft, dass derKrebs bereits gestreut und die Leber und die Knochen befallen hat. Sie bekommt Chemotherapie, Bestrahlun-gen und setzt sich damit auseinander, dass sie nie mehr gesund werden wird. Es seien düstere Jahre gewe-sen, sagt Altmann-Pospischek. Vor ihrem geistigen Auge habe sie die einzelnen Kalenderblätter abgerissen,erinnert sie sich. Sie fürchtet sich vor dem 5. Juli. Und überlegt, wie es wohl sein wird, wenn die zwei Jahreabgelaufen sind. Entgegen aller Prognosen lebt sie jedoch weiter. Ein Wendepunkt für die Wiener Neustädte-rin: Die letzten beide Jahre habe sie nur auf ihr „Ablaufdatum“ gewartet. Nun war die Zeit gekommen, das Le-ben wieder zu genießen: „Ich wollte einfach wieder glücklich sein“, erinnert sie sich. Unterstützung bekommtsie bei der österreichischen Krebshilfe in Form von psycho-onkologischen Gesprächen. Und sie findet Gleich-gesinnte, die wie sie selbst unheilbar an Krebs erkrankt sind. Die Frauen lachen und weinen gemeinsam undtauschen sich aus. Claudia Altmann-Pospischek reist wieder mit ihrem Mann um die Welt, besucht Konzerteder Pet Shop Boys und unternimmt viel mit Freunden. 2016 beginnt sie dann über ihr Leben mit metastasier-tem Brustkrebs auf Facebook zu bloggen. Anfangs zunächst aus praktischen Gründen: „Alle wollten über dieErgebnisse der Untersuchungen Bescheid wissen. Das war mir irgendwann zu viel und ich startete den Blog,damit jeder nachlesen konnte, wie es mir ging.“ Das Schreiben wird eine Verarbeitungsstrategie und ein Mit-tel, um sich auszudrücken. Nicht nur Familie und Freunde, sondern auch zahlreiche andere Menschen inter-essierten sich bald für Claudias Blogeinträge. Sie geht offen mit ihrer Erkrankung um – dafür sei sie stets „be-lohnt“ worden, denn heute folgen ihrem Blog „Claudias Cancer Challenge“ mehr als 10.000 Menschen. „Ichkann jedem nur raten, die Dinge auszusprechen. Je mehr Leute offen darüber reden, desto eher können wirdas Tabu brechen“, sagt sie.
KREBS & KRAFT
Claudia Altmann-Pospischek bloggtnicht nur, sie ist vor allem als Brust-krebs-Aktivistin tätig. Und so startetsie mit ihren „Meta Mädels Mee-tings“, Treffen für Frauen mit meta-stasiertem Brustkrebs. Zudem ist sieIdeengeberin für den neuen, dreifar-bigen Meta Ribbon, der die verschie-denen Dimensionen der Erkrankungverdeutlichen soll. Auf Facebookagiert sie als Moderatorin der Grup-pe „Metastasierter Brustkrebs Öster-reich“. Sie steht auf Bühnen, spricht
über ihre Erkrankung und ist Pink-Ribbon-Botschafterin. „Ich sehe mich als ein Gesicht und eine Stimmeeiner Krankheit. Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Es geht leider nicht immer alles gut aus. Es gibtauch diese andere Dimension, wenn der Krebs bereits gestreut hat.“ So schlimm die Krankheit auch ist,sie habe auch Positives mit sich gebracht, betont die starke Frau. So ist die Breast Care Nurse Lisa imKlinikum zu ihrer besten Freundin geworden.
Claudia Altmann-Pospischek teilt auf Facebook nicht nur täglich ihre schönen Erlebnisse, sondern do-kumentiert seit mittlerweile vier Jahren auch alle Behandlungen und Operationen. Sie bekommt ver-schiedene Antihormon-, Antikörper- und zielgerichtete Therapien, wird mehrmals an der Leber operiert.2019 wird das Bauchfell im Rahmen eines experimentellen Eingriffs entfernt – Chemo inklusive. Würdesie ihr Leben auch so genießen, wäre ihr die Endlichkeit nicht so bewusst? „Wahrscheinlich nicht. Wenndu krank bist und die Uhr tickt, dann möchtest du jeden Moment auskosten. Ich bin ein Genussmenschund kann den Augenblick zelebrieren.“ Im vergangenen Jahr erfüllt sie sich gemeinsam mit ihrem Peterzwei große Wünsche: Sie besuchen gemeinsam den Karneval von Rio in Brasilien und sehen sich dieKirschblüte in Japan an. Wenn sie ins Flugzeug steigt, kommt die Krankheit nicht mit, sagt sie. Im Kellerihres Reihenhauses hat sie sich einen englischen Salon eingerichtet, denn im Herzen sei sie Britin, sagtClaudia Altmann-Pospischek. In einem Pub trifft sie regelmäßig Freunde, alle tragen Kilt. Doch nicht nur
die schönen Erlebnisse – sogenannte „Fixsterne“ – halten sie am Leben. Es ist vor allemihr Engagement in der Brustkrebshilfe, das sie antreibt. „Deshalb lebe ich noch“, ist sichdie Niederösterreicherin sicher. Sie möchte Bewusstsein für metastasierte Brustkrebspati-entinnen schaffen und zur Vorsorge aufrufen. Und alle Menschen daran erinnern, Solida-rität mit den Erkrankten zu zeigen. Als nächstes Projekt plant sie gemeinsam mit der Lan-desrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und dem Fotografen Weinfranz die Ausstellung„Krebs & Kraft“. Zwölf Brustkrebspatientinnen aus allen Regionen werden an ihrem Kraft-platz fotografiert und portraitiert. Ein Heft zur Ausstellung erscheint im Oktober, die Aus-stellung selbst wird rund um den Weltkrebstag im Februar in St. Pölten eröffnet. Danachwandert die Ausstellung durch alle Viertel Niederösterreichs.
KREBS ALS BEIFAHRER
Seit sieben Jahren lebt Claudia mit ihrer
Erkrankung. Sie gilt als Langzeitüberlebende. Welche Rolle spielt der Krebs in ihrem Le-ben? „Er ist mein Beifahrer, aber ich überlasse ihm nicht das Steuer. Diese Metapher be-
schreibt es am besten. Er ist immer da und begleitet mich, aber die Richtung und das Tempo gebe ich vor.“ Nach all den Schmerzenund Behandlungen – habe sie jemals ans Aufgeben gedacht? „Nein. Dafür lebe ich zu gerne. Ich bin sehr froh, dass ich noch dasein darf. Und es ist ein Privileg, anderen Patientinnen helfen zu können. Nichts macht mich glücklicher.“ Wie viel Zeit sie noch vorsich hat, steht in den Sternen. Sie fühle sich fit fürs Leben, sagt Claudia. Ein Leben im Hier und Jetzt.
Daniela Rittmannsberger
Jedes Jahr feiert ClaudiaAltmann-Pospischek amTag der Diagnose, dasssie noch lebt.
Trotz unheilbarer Krebser-krankung lebt die WienerNeustädterin ein glückli-ches Leben.
Ihr Ehemann Peter undebenfalls betroffene Frau-en geben Claudia