Fit und beweglich zu bleiben,das wünscht sich jeder. Dochetwa eineinhalb MillionenMenschen in Österreich leidenan Gelenksschmerzen. Mitentsprechender Therapiekönnen sie gelindert werden.
„Damit müssen Sie leben, das ist altersbedingt.“ Mit einer derartigen Diagnose werden viele Schmerzgeplagte „getröstet“. Zuden ohnehin schon starken Schmerzen kommt auch noch die psychische Belastung hinzu, zum eingerosteten „alten Eisen“ zugehören. Doch Gelenksschmerzen kennen keine Geburtsurkunde, auch viele junge Menschen leiden daran. Für Wohlbefin-den und Lebensqualität ist es jedoch wichtig, sich im Alltag und beim Sport schmerzfrei und reibungslos bewegen zu können.„Schmerzen am Knie- oder an den Hüftgelenken können viele Ursachen haben, eine umfassende Diagnose ist eine unerlässli-che Basis, um eine adäquate Therapie einzuleiten“, sagt Dr. Gabriele Grünwald, Ärztliche Leiterin des Gesundheits- und Kur-hotels Badenerhof in Baden. Was langläufig als Arthrose, Arthritis und Rheuma in einen Topf geworfen wird, sind unterschied-liche Erkrankungen
Wenn der Knorpel schwindet
Als Arthrose bezeichnen Mediziner einen Verschleiß des Gelenksknorpels. Jedes Gelenk ist von einer Gelenkskapsel um-schlossen, die beiden aufeinandertreffenden Knochen – Gelenkskopf und -pfanne – sind mit einer schützenden Knorpel-schicht umgeben. Ist diese Schicht angegriffen, wird die Oberfläche rau und die Knochen reiben bei völligem Knorpelverlust
im Spätstadium aneinander, das kann zu einer Entzün-dung führen. Dieser degenerative Prozess kann ver-schiedene Ursachen haben. Einerseits nimmt das Risi-ko einer Abnützung mit fortgeschrittenem Alter zu, an-dererseits können Überlastungen, Fehlstellungen, Über-gewicht oder Bewegungsmangel dazu führen.
Infektion mit Keimen
Arthritis ist ein entzündlicher Prozess in den Gelenken.„Meist sind es bakterielle Entzündungen, hervorgerufenbeispielsweise durch Borrelien, die sich im Laufe desLebens im Organismus eingemietet haben“, erklärt Ga-briele Huber-Grünwald. Arthritis entsteht meist nach ei-ner Infektion an den großen Gelenken, wie etwa Hüft-oder Kniegelenk und zerstört das Gewebe im Gelenk.Aber auch eine Funktionsstörung der Schilddrüse kannGelenksschmerzen verursachen. Schilddrüsenhormonebeschleunigen die Pumpfunktion des Herzens und ver-bessern die Gewebeversorgung durch sauerstoffreiches Blut, auch in den Gelenken. Im Zuge des norma-len Alterungsprozesses verringert sich die Hormonpro-duktion der Schilddrüse, das Gelenk wird weniger mitEnergie, Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und kannsich dadurch schneller entzünden.
Rheuma hat viele Gesichter
Rheuma ist der Überbegriff für mehr als 400 verschiedene Erkrankungen wie etwa Gicht oder Polyarthritis. Jede dieser Erkran-kungen hat andere Ursachen und muss daher auch anders behandelt werden, weiß Huber-Grünwald: „Der erste Schritt isteine ausführliche Anamnese sowie eine Blutuntersuchung.“ Danach erfolgt eine genaue klinische Untersuchung durch einenerfahrenen Arzt. „Die Frage ist: Wie fühlt sich das betroffene Gelenk an?“, sagt Huber-Grünwald. Und schließlich liefern bildge-bende Untersuchungen, also Ultraschall und Röntgen, definitive Klarheit. Den Erfahrungen der versierten Kurärztin nach lei-den Schmerzpatienten am häufigsten an Knie-, Hüft- oder Fingergelenksschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden. „Typischfür eine rheumatische Erkrankung ist, dass sie zunächst an den Fingern auftritt, das kann an beiden Händen sein, wobei eineHand stärker betroffen sein kann.“
Abnützung hat viele Ursachen
Im Bereich der altersbedingten Abnützungen ortet die Medizinerin am häufigsten Beschwerden am Knie, an den Hüft- undmitunter an den Fingergelenken. „Das Knie ist kompliziert aufgebaut, hinter den Kniescheiben befindet sich eine Knorpel-
schicht, aber auch eine Weichteilstruktur, also auchalte Verletzungen am Meniskus können Schmerzenverursachen; mitunter kann auch eine Bakerzyste inder Kniekehle den quälenden Schmerz hervorrufen.“All diese Erkrankungen müssen ausge-
schlossen werden, denn sie bedürfen einer individuel-len Therapie.
Nach einem Laborbefund erfolgt eine medikamentöseBehandlung mit schmerz- und entzündungshemmen-den Medikamenten, wie NSAR (nicht-steroidalen Anti-rheumatika), mit knorpelschützenden Substanzenoder Infiltrationen (mit Kortison). „Auch Akupunktur amOhr hat sich bewährt: Ähnlich wie bei einer Reflexzo-nentherapie ist über die Zonen am Ohr feststellbar,welches Gelenk genau betroffen ist“, unterstreicht Ga-briele Huber-Grünwald. Handelt es sich um eine pa-thologische Veränderung, können fünf bis sechs Aku-punktur-Sitzungen die Beschwerden lindern. „Derarti-ge Schmerzen lassen sich auch mit Laserakupunkturbehandeln, das ist ein relativ geringer Aufwand unddie Behandlung ist nebenwirkungsfrei. Bei einer medi
kamentösen Therapie hingegen, wie mit NSAR, muss auch ein Magenblocker verabreicht werden“, weiß Huber-Grünwald. Häu-fig werden auch Infiltrationen in das betroffene Gelenk verabreicht, die Entzündungshemmer lindern den Schmerz üblicherwei-se in kurzer Zeit. Für Gabriele Huber-Grünwald ist eine oberflächliche Infiltration mit einer homöopathischen Rezeptur (Trau-meel) oder Laserakupunktur allerdings die bessere Wahl.
Einen anderen Ansatz hat die Ayurvedamedizin. „Mithilfe der Pulsdiagnostik ist es möglich, die Art der Erkrankung festzustel-len. So etwa haben Rheuma-Patienten ein Stoffwechselproblem, Arthrose-Betroffene leiden häufig an einem Säureüber-schuss“, sagt die Kurärztin. Bei Gelenksproblemen helfen Ausleitungen mit der sogenannten Heißwasserkur. Dazu wirdWasser etwa zehn bis 15 Minuten lang sprudelnd gekocht, in eine Thermoskanne gefüllt und halbstündlich jeweils dreiSchluck davon getrunken. „Diese Kur sollte man für zwei Monate durchhalten, ergänzend dazu unterstützt die ayurve-dische Kräuterrezeptur Triphala – jeden Abend eine Tablette – die Entgiftung“, erklärt die Medizinerin. Dreimal täglichzu essen – mittags warm, abends leicht und ohne tierisches Eiweiß – ist ebenfalls ein bewährtes ayurvedisches Re-zept.
Bewegung oder Operation?
Wenn das Hüftgelenk schmerzt, geht wertvolle Lebensqualität verloren, denn die quälenden Beschwerden machen einen ge-mütlichen Spaziergang, das Treppensteigen oder sportliche Aktivitäten zur Tortur. Eine Operation ist sinnvoll, wenn die Lebens-qualität so schlecht ist, dass die Schmerzen überhand nehmen. Gerade bei der Hüftoperation haben sich die Techniken in denletzten Jahren deutlich verfeinert. Betroffene sind rasch wieder mobil, der Aufenthalt im Krankenhaus beschränkt sich auf weni-ge Tage, bereits in der Klinik wird eine Frührehabilitation durchgeführt. Für die darauffolgenden sechs Wochen erhalten Betrof-fene Unterarmkrücken, in einem speziellen Rehabilitationszentrum erfolgen weitere, punktgenaue Therapien. „Wichtig ist es,ein normales Gangbild wiederherzustellen, die Muskeln zu kräftigen und Bewegungsmuster wie etwa beim Treppensteigen zuerlernen“, erklärt Gabriele Huber-Grünwald. Ob Schmerzen bleiben, hängt im Wesentlichen vom Grad der Abnützung ab. „Jeabgenützter das Gelenk war, desto eher können wieder Schmerzen auftreten“, erklärt die Medizinerin.
Nichts mehr im Griff
Arthrose kann auch an den Fingergelenken entstehen, meist an den Fingermittel- oder -endgelenken. „Wichtig ist in diesemFall eine umfassende Blutuntersuchung, um eine rheumatische Erkrankung auszuschließen.“ Zur Therapie werden entzün-dungshemmende Medikamente eingesetzt. Auch Paraffin-, Schwefelmoorbäder oder Schwefeleinzelbäder haben sich bei Ab-nützungen gut bewährt. Eine ergänzende Ergotherapie unterstützt die Beweglichkeit, eine ausreichende Vitamin-D-Zufuhrsorgt für eine optimale Knochendichte. Auch mit Ernährung können Betroffene den Krankheitsverlauf selbst günstig beeinflus-sen. „Gut ist eine basische Ernährung, denn oft kommt es zu einem Überschuss an Säuren, die sich im Körper festsetzen undEntzündungen verursachen können. Nährstoffarme Kost wiederum führt dazu, dass der Knorpelaufbau gehemmt wird“, betontGabriele Huber-Grünwald. Verzichten sollten Betroffene weitgehend auf tierische Fette, säurereiches Obst und Gemüse, wieetwa Tomaten oder Zitrusfrüchte, sowie auf Zucker, denn der wird wieder in Säuren umgewandelt. Am Speiseplan sollte daherGemüse stehen. Auch Naturreis und Getreide wie Dinkel oder Quinoa sind gute Mineralstofflieferanten, Fische, wie Forelle,Barsch oder Kabeljau sind reich an wichtigen Omega-3-Fettsäuren. Rauchen und Alkohol sind ebenfalls vermeidbare Risiko-faktoren.
In Bewegung bleiben
Eine ideale Möglichkeit der Prävention und ergänzender Therapie ist Sport. Arthrose kann dadurch zwar nicht geheilt werden,doch sportliche Aktivitäten tragen dazu bei, die Gelenke beweglich zu halten und das Fortschreiten einer Arthrose zu verlang-samen. Außerdem schützt Sport vor Übergewicht, denn ein Zuviel an Kilos fördert den Verschleiß der Gelenke. Gabriele Huber-Grünwald: „Es geht dabei nicht um höher, weiter, schneller, sondern um Bewegung, die Spaß macht. Aktivitäten wie Radfahren,Schwimmen oder Spazierengehen – auch auf unebenen Böden – sind ideal.“ Beim Schwimmen oder Radfahren werden dieGelenke kaum belastet, aber sanft bewegt. Das regt die Nährstoffproduktion an, der Knorpel wird optimal ernährt. Die Medizi-nerin: „Extrem gut für die Körperhaltung ist Tanzen, auch Reiten ist optimal – aber bitte alles mit Bedacht und nicht in Wett-kampfmanier.“
Doris Simhofer
Arthrose, Arthritis, Rheuma:
Wo liegen die Unterschiede?
-Arthrose: degenerativer Gelenksverschleiß wegen abnehmendemKnorpelgewebe, verläuft langsam und kann zu totalem Knorpelver-lust führen. Erste Symptome sind Gelenksschmerzen bei Belastung.Mögliche Ursachen: Übergewicht, Überlastung, Fehlstellungen, vor-angegangene Verletzungen, Bewegungsmangel. Therapie mit Ent-zündungshemmern, Schmerzmitteln, Salben, Infiltrationen, Bewe-gung
-Arthritis: Gelenksentzündung, bei der das Immunsystem beteiligt ist.Kann plötzlich auftreten oder im Verlauf mehrerer Wochen entstehen.Gelenksschmerzen auch im Ruhezustand, das Gelenk kann gerötetoder geschwollen sein. Mögliche Ursachen: Infektionen, Fehlsteue-rung des Immunsystems, genetische Faktoren. Therapie mit Entzün-dungshemmern, Kortison, Antibiotika, Infiltrationen, Physiotherapie
-Rheuma: Autoimmunerkrankung mit mehr als 400 Ausprägungen(Gicht, Weichteilrheumatismus, Polyarthritis, Morbus Bechterew etc.)verläuft in Schüben, kann Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, Sehnenbetreffen. Immer wiederkehrender, ziehender Schmerz. Fehlfunktiondes Immunsystems, das zu Entzündungen führt. Behandlung jenach Art der rheumatischen Erkrankung.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 10/2017