Sich gesünder er-nähren, Bewe-gung machenund Gewohnhei-ten ändern: Wiedas funktioniert,lernen Clarissaund Bryan beimProgramm»Durch Dick undDünn«.
FOTOS: PHILIPP MONIHART
GESUND WERDEN & BLEIBEN - LEBENSSTIL
„Highlight
der Woche“
Das Programm »Durch Dickund Dünn« unterstützt Kinderund Jugendliche am Weg inein gesünderes Leben.
Bryan ist 13 Jahre und ziemlich groß für sein Alter. Schon bei der Geburt ist klar, dass er größer geraten wird: Sein Fußabdruckpasst kaum auf das vorgegebene Kärtchen im Spital. Als er knapp vier ist, fragt ihn der Nikolo, wie es ihm denn in der Schulegefällt. Bryan antwortet nicht, er ist ja noch nicht mal im Kindergarten. Auch in der Schule ist er der Größte, größer als seineLehrerin. Nun, mit 13 Jahren, ist der junge Mann 180 cm groß, hat Schuhgröße 46 – und leider auch zu viele Kilos. Bryan leidetdarunter, will gegensteuern, sportlicher und beweglicher sein und coolere Kleidung anziehen. Das ist leichter gesagt als ge-tan. Von seinem Opa kommt der Tipp, sich beim Programm »Durch Dick und Dünn« anzumelden
Übergewicht belastet
Ein Problem bei zu dicken Kindern ist, dass sie es körperlich kaum spüren, dass etwas nicht stimmt. Sie leiden oft unter Hän-seleien und Spott, haben aber keine Schmerzen. Die physiologischen Schäden wie Verkalkung der Gefäße, höherer Blutdruck,Fettleber oder der sogenannte Alters- Diabetes werden meist erst spürbar, wenn sie erwachsen sind.
Übergewichtigen Kindern eine Diät zu verschrei-ben, ist nicht der richtige Weg. Das beste Rezept:Schritt für Schritt einen gesunden Lebensstil kennen-lernen und verinnerlichen. Genau darauf baut dasProgramm »Durch Dick und Dünn« auf.
Zum Start gibt es einen kinder- und jugendärztli-chen und sportmedizinischen Check mit Leistungs-test. Bryan ist gemeinsam mit seiner Schwester Cla-rissa (10) seit September dabei. »Durch Dick undDünn« arbeitet auch mit den Eltern, erklärt Mag. Ka-rin Lobner: „Soll ein Kind gesünder leben lernen,funktioniert das nur, wenn die ganze Familie mit-zieht.“ Die Ernährungswissenschafterin und Psycho-therapeutin betont: Was Eltern vom Kind verlangen,müssen sie mitleben – das Kind fühlt sich sonst alsAußenseiter. Jede Woche kommen Bryan und Claris-sa samt Eltern in die Volksschule Krems-Rehberg.Dabei geht es um Ernährung, Bewegung oder psy-
chosoziale Faktoren. Manchmal sind Eltern und Kinder gemeinsam im Kurs, manchmal getrennt. In betreuten Einhei-ten werden sie von Expertinnen und Experten aller Fachrichtungen geschult. Im Mittelpunkt steht nicht verbissenesKalorienzählen, sondern Spaß und Motivation in der Gruppe.
Leichter leben lernen
In den Ernährungseinheiten lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwa, was man statt Süßigkeiten essen kann,wie man Heißhungerattacken verhindert und welche Nahrungsmittel und Getränke man meiden sollte. Die Informatio-
nen werden spielerisch vermittelt, damit sie gut im Gedächtnis bleiben. Vielhaben die Geschwister bereits gelernt: „Wir essen nur mehr Vollkornprodukte,die machen länger satt“, sagt Bryan.
Mama Margot hat es nicht leicht mit ihrem Sprössling: „Bryan isst keinFleisch, weil ihm die Tiere leid tun. Außerdem leidet er an einer Fischeiweißall-ergie, daher fällt auch Fisch weg.“ Seit die Familie ein Patentier in Gut Aider-bichl hat, isst auch Tochter Clarissa weniger Fleisch. In den Ernährungseinhei-ten lernt die Familie allerlei Alternativen kennen, kocht nun viel mit Hülsen-früchten, Quinoa, Amaranth, Topinambur, Roten Rüben – oft steht Gemüse amTisch. Hobbykoch Bryan hat zuhause bereits einige Rezepte nachgekocht:„Das Gemüsecurry und die Karottensuppe haben mir am besten ge-schmeckt.“
Die ganze Familie hat sich umgestellt und hält sich an ver-nünftige Portionsgrößen: „Manchmal muss man den Kopf aus-tricksen“, sagt Familienvater Johann, „drei große Erdäpfel amTeller wirken wenig. Wenn man sie teilt, schaut es nach mehraus.“ Die Familie weiß, dass man mit Suppe und Wasser denMagen füllen soll, dass viel trinken
IST IHR KIND ZU DICK?
Die aussagekräftigste Formel, um zu bestim-men, ob Ihr Kind übergewichtig ist, ist derBody-Mass-Index (BMI). Er kann ermitteltwerden, indem man das Körpergewichtdurch die Körpergröße zum Quadrat dividiert.
Beispiel: Ein 12-jähriges Mädchen ist 1,60 mgroß und wiegt 62 kg.
Rechnung: 1,60 x 1,60 = 2,56; 62 dividiert
durch 2,56 = 24,2.
In der Tabelle liegt der ideale BMI bei 22; dasMädchen liegt über diesem Wert und ist so-mit übergewichtig. Liegt der BMI Ihres Kindesüber dem BMI-Wert, der dem Alter entspricht,ist es übergewichtig und Sie sollten das Ge-spräch mit Ihrem Arzt suchen.
QUELLE: ARBEITSGEMEINSCHAFT ADIPOSITAS IM KINDES-UND JUGENDALTER, LEITLINIEN 2001, MODIFIZIERT
Die Veränderungengreifen langsam,
aber stetig.
Familie Schmied aus Gneixendorf – passionierte England-Fans –startet gemeinsam in ein gesünderes Leben.
Beim Motivationscamp im Sommer kommen Kinder und Jugendliche, die am Programm»Durch Dick und Dünn« teilnehmen oder teilgenommen haben, zusammen, haben gemein-sam viel Spaß haben und tauschen Erfahrungen aus.
wichtig ist. Eis mixen sie nun selber mit Buttermilch undgefrorenem Obst, süßen mit etwas Agavensirup. „Man glaubtnicht, wo überall Zucker drin ist“, sagt Mama Margot: „Im Su-permarkt schauen wir jetzt genau auf die Zutatenliste. WennZucker ganz vorne steht, kaufen wir es nicht.“ Süße Limonadenund Eistee sind nun aus dem Hause Schmied verbannt. Chipsebenso. Wobei es bei »Durch Dick und Dünn« nicht um Verbotegeht: Alles ist erlaubt – in vernünftigen Maßen.
Sport & Psychologie
In den Sporteinheiten geht es nicht um Leistung, sondern umFreude an der Bewegung: Die Kinder lernen viele Sportartenkennen und finden heraus, was ihnen Spaß macht. Bryan hatbegonnen Golf zu spielen, ist kurz vor der Platzreife. Er merktbereits den positiven Effekt von Bewegung: „Früher habe ichbeim Stiegensteigen in der Schule immer gekeucht, jetzt ist esviel besser.“ Clarissa spielt nun Tennis. Familie Schmied ver-sucht Bewegung in den Alltag zu integrieren, macht am Woch-
enende öfter einen Ausflug, statt vorm Fernseher zu sitzen. Sie habenein gemeinsames Ziel: fitter zu werden.
Auch die Psychologie-Einheiten waren sehr hilfreich, sagt Papa Jo-hann: „Wir haben gelernt, wie man sich mengenmäßig beherrschenkann, wie man Motivationsprobleme umgeht und vieles mehr. Denndranzubleiben ist schwierig, dazu braucht es die ganze Familie.“ Bewe-gung machen, Gewohnheiten ändern, Zeit lassen – das sind Grundsät-ze für richtiges Abnehmen. Zusätzlich gibt es ein Motivationscamp imSommer, bei dem Kinder und Jugendliche, die teilnehmen oder teilge-nommen haben, zusammenkommen, gemeinsam viel Spaß haben undErfahrungen austauschen können.
Bis Ende Juni ist Familie Schmied noch in den »Durch Dick undDünn«-Kursen, zieht aber jetzt schon ein positives Resümee: „Ge-wichtsmäßig haben die Kinder noch keine großen Sprünge gemacht.Aber das Wichtigste ist, dass sie wissen, worum es geht und nichtheimlich naschen“, sagt Johann Schmied, „die Veränderungen greifenlangsam, aber stetig.“ Den Betreuerinnen und Betreuern streut er Ro-sen: „Alle machen das ganz toll. Wir sind begeistert und kommen gernzu den Einheiten – unser Highlight der Woche.“
KARIN SCHRAMMEL
DURCH DICK UND DÜNN
Ein Programm der Initiative »Tut gut!« für Kinderund Jugendliche (sechs bis 18 Jahre)
»Durch Dick und Dünn« unterstützt übergewichtigeKinder und Jugendliche gemeinsam mit ihren Elternbeim Ändern von Ernährungsgewohnheiten. Gleich-zeitig motivieren die Kurse zu einem aktiveren Frei-zeitverhalten, damit Körper- und Selbstbewusstseingestärkt werden. Fachleute aus den Bereichen Er-nährung, Bewegung, Psychologie, Kinder- und Ju-gendmedizin, Psychotherapie und Pädagogik un-terstützen dabei.
Wer kann teilnehmen? Alle niederösterreichischenKinder und Jugendlichen. Voraussetzungen sindein positives Aufnahmegespräch und eine Untersu-chung der Gesundheitsparameter.
Kurskosten: 220 Euro (+ 130 Euro Kaution). DieKaution bekommt man bei Teilnahme an mindes-tens 75 Prozent der Termine zurück.
Laufzeit: ein Jahr, 60 betreute Einheiten für Kinderund 60 parallele Einheiten für deren Eltern
Motivationscamp: 2. bis 15. Juli 2017 in Gaming –es steht allen ehemaligen und aktuellen Teilneh-menden offen.
Anmeldung & Informationen zu den einzelnenStandorten:
Verkalkung der Gefäße, höherer Blutdruck, Fettleber, sogenannter Alters-Diabetes und vielesmehr: Kinder haben noch nicht zwingend schlechte Werte, das kommt erst später. Der jungeKörper verkraftet noch viel. Komplikationen beginnen erst im Erwachsenenalter. Übergewichtbelastet von Anfang an die Gelenke: Kinder gehen mit geschwächter Substanz in die Zukunftund beginnen bereits im Teenie-Alter abzubauen. Die Gefahr ist, die Kilos mitzunehmen, dennje älter man wird, desto schwieriger wird es, sie wieder loszuwerden. Abgesehen von der me-dizinischen Komponente werden übergewichtige Kinder oft gehänselt, sind Außenseiter.
Warum sind viele Kinder und Jugendliche übergewichtig?
Es gibt verschiedene Gründe, oft ist es eine Familienangelegenheit: Übergewichtige Eltern ha-ben ein größeres Risiko für ein übergewichtiges Kind. Manchmal ist aber nur einer in der Fami-lie betroffen. Wenn man nicht weiter weiß, sollte man sich möglichst früh Hilfe suchen.
Was ist das Besondere an »Durch Dick und Dünn«?
Das Programm bietet Unterstützung für den
Alltag an und betreut ganzheitlich: Ernährung, Bewegung, Psychologie und Medizin. Zusätz-lich gibt es im Sommer ein Camp: Hier sind die Jugendlichen unter Gleichgesinnten, erlebensich auf ganz andere Weise. Die intensive Betreuung von »Durch Dick und Dünn« ist öster-reichweit einmalig.
Mag. Karin Lobner,
Ernährungswissen-
schafterin und
Psychotherapeutin
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 05/2017