Wir sehen, tasten, schmecken, riechen und hören praktisch ununterbrochen: Jeden Tag wer-den wir mit Millionen Sinnesreizen bombardiert, die unser Gehirn verarbeiten muss. Das Ohrgilt als unser empfindlichstes Sinnesorgan, weil es für den Gleichgewichtssinn und die Wahr-nehmung akustischer Reize gleichermaßen zuständig ist. Beim Hörvorgang gelangen dievon der Ohrmuschel eingefangenen Schallwellen über den Gehörgang zum Trommelfell. Die-ses beginnt zu vibrieren, wobei die Schwingungen von den Gehörknöchelchen im Mittelohrzur Gehörschnecke im Innenohr übertragen werden. Als elektrische Impulse werden sie wei-ter an das Gehirn geschickt, und von uns letztlich als Geräusche, Sätze oder Klänge wahrge-nommen. Im Innenohr befindet sich auch das Gleichgewichtsorgan. Es besteht aus mit Flüs-sigkeit gefüllten Bogengängen und Säckchen. Sie reagieren auf jede Bewegung des Körpersund senden diese Informationen über Sinneszellen, die mit feinen Härchen ausgestattet sind,an das Gehirn.
Lärm macht krank
Wir schenken unseren Ohren oft zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei können sich Lärm am Ar-beitsplatz, die Dauerbeschallung durch Kopfhörer sowie der Besuch von lauten Clubs undKonzerten negativ auf das Gehör auswirken. Experten schlagen bereits Alarm, dass Hör-schäden bei jüngeren Menschen zunehmen. Denn intensive Lärmbelastung schädigt die fei-nen Härchen (Zilien) auf den Sinneszellen im Innenohr und die Fasern der Hörnerven. „DieseÜberlastung im Innenohr kann vom Auftreten von Ohrgeräuschen bis zum vorübergehenden
Hörverlust führen“, erklärt HNO-Arzt Dr. Harald Schlögel aus Mödling. „Oft sind diese Schä-den aber nur kurz und das Gehör regeneriert sich wieder von selbst.“
Schutz vor Hörschäden
Die Sinneszellen im Gehör können sich also innerhalb von einigen Stunden erholen. „Wennaber nach etwa 24 Stunden noch immer Beschwerden vorliegen, sollte man unbedingt einenHNO-Spezialisten aufsuchen, um eine Therapie einzuleiten“, empfiehlt Schlögel. Besondersproblematisch ist es, die Ohren sehr häufig hohen Schallpegeln auszusetzen. In diesem Fallkönnen die Zilien im Innenohr beschädigt werden oder ganz absterben. Es kommt zu irrepa-rablen Hörschäden. Bei lauten Konzerten oder in Diskos ist also Vorsicht geboten: Am bes-ten größeren Abstand zu den Lautsprecherboxen halten oder Gehörschutzstöpsel verwen-den. Danach möglichst eine doppelt so lange Ruhepause für die Ohren einlegen.
Ohren gut verpacken
Ähnlich empfindlich reagieren die Ohren auf Kälte. Bei eisigem Wind und nass-kaltem Wetterzu joggen, kann Ohrenschmerzen hervorrufen. „
Durch niedrige Temperaturen verengen sich die Blutgefäße und die Durchblutung vermindertsich, weil sie auf die Muskulatur und körpernahe Regionen konzentriert wird“, erklärt HaraldSchlögel.
„Die Folgen können ein Taubheitsgefühl in der Ohrmuschelbis hin zu Erfrierungserscheinungen sein.“ Noch dazu ist dieHaut an den Ohren besonders dünn, wodurch sie schnellerauskühlen. Ärzte raten daher zu einem entsprechenden Wär-meschutz beim Sport in der kalten Jahreszeit. Um Kälte-schmerzen oder Erfrierungen zu verhindern, eignen sichwarme Mützen, Stirnbänder oder Ohrenschützer
Wasser im Ohr
Beim Schwimmen kann es leicht vorkommen, dass Wasser in den Gehör-gang eindringt. Gelingt es nicht, das Wasser durch kräftiges Kopfschüttelnoder Föhnen des Gehörgangs loszuwerden, sollte ein HNO-Arzt aufgesuchtwerden. Denn Wasser im Ohr wird nicht nur als unangenehm empfunden –es kann die Hörfähigkeit herabsetzen und im schlimmsten Fall zu einer Ge-hörgangs-Entzündung führen. Schlögel: „Feucht- und Pfützenkeime verursa-chen die äußerst schmerzhafte und rasch verlaufende Erkrankung.“ Begleitetwird diese sogenannte „Schwimmbad-Otitis“ von Ohrenschmerzen, Juckreizund dem Austreten von Sekret. Sind die Gehörgänge bereits gereizt oderwurden sie durch Wattestäbchen verletzt, haben die Keime leichtes Spiel, indie Haut einzudringen. Aus diesem Grund raten Ärzte von der Reinigung derOhren mit Wattestäbchen ab: Dabei wird der wichtige Schutzfilm im Ohr (Oh-renschmalz hält Krankheitserreger ab) abgetragen und der Gehörgangshautkleine Verletzungen zugefügt. Besser ist es, überschüssiges Ohrenschmalzmit Ohrenöl schonend zu beseitigen.
JACQUELINE KACETL
Das Ohr kann mehr alshören: Es ist auch für denGleichgewichtssinn zu-ständig.
INTERVIEW
„Der Gehörgang reinigt sich selbst“
Sind Wattestäbchen für die Ohrenreinigung zu empfehlen?
Aus Ärztesicht ist die Selbstreinigung des Gehörganges mit Wattestäb-chen oder anderen mechanischen Reinigungsinstrumenten abzulehnen.Der Gehörgang reinigt sich bei den meisten Patienten nämlich vonselbst. Wenn man unter vermehrter Ohrenschmalzbildung leidet, ist dieregelmäßige Anwendung von Ohrenöl sinnvoll. Dieses Öl bekommt manals Tropfen oder Spray in der Apotheke.
Welche Folgen kann das Hantieren mit Wattestäbchen im Gehörganghaben?
Es kommt zu einer Schädigung der Haut, weil die oberflächliche Schutz-schicht mit der Zeit abgetragen wird. Dadurch wird der Gehörgang ver-letzlich und empfindlich. Typische Symptome von dadurch begünstigtenGehörgangsekzemen sind Jucken, ziehender leichter Schmerz und einFeuchtigkeitsgefühl im Ohr.
Ist der Einsatz von Ohrenkerzen sinnvoll?
Die Verwendung von Ohrenkerzen ist ein taugliches Verfahren, um dieOhren von Ohrenschmalz zu reinigen. Einerseits wird durch das Verbren-nen der Kerze Wärme erzeugt, die das Ohrenschmalz aufweicht. Ande-rerseits sind die Kerzen innen hohl – so entsteht ein Kamin-Effekt, beidem das Ohrenschmalz an den Kerzen haftet.
Kann das nicht gefährlich werden?
Gefahr besteht nur, wenn das flüssige Wachs in den Gehörgang tropftund es dann zu sehr schmerzhaften Verbrennungen der Gehörgangshautoder einer Perforation des Trommelfells kommt. Vor allem bei Kindernrate ich daher von dieser Anwendung ab, weil abrupte Kopfbewegungennicht verhindert werden können und damit die Gefahr von Verletzungenunverhältnismäßig hoch ist.
Dr. Harald Schlögel ist
Facharzt für Hals-,
Nasen- und Ohrenheil-
kunde in Mödling.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 11/2016