Bemerkt man, dass einem plötzlich die Haare ausgehen, ist das natürlich ein Schock. Wie sollte man inso einer Situation am besten handeln? Dr. Christine Messeritsch-Fanta ist Fachärztin für Haut- undGeschlechtskrankheiten in Mödling. Sie rät dazu, auffällig starken Haarausfall abklären zu lassen: „Eintäglicher Haarverlust von bis zu 100 Haaren ist normal und noch kein Grund zur Sorge. Unser Haardurchläuft mehrere Phasen eines Wachstumszyklus und wird immer wieder erneuert. Zusätzlichunterliegt der Haarwechsel individuellen und saisonalen Schwankungen. Wenn der tägliche Haarverlustden Richtwert übersteigt oder sich kahle Stellen bilden, sollte man aber einen Hautarzt aufsuchen.“
Die Gründe für Haarausfall sind vielfältig: Hormonelle Umstellungen, Funktionsstörungen derSchilddrüse, Eisenmangel oder Stress können zu vermehrtem Haarverlust führen. „Am häufigsten istder genetisch bedingte Haarausfall. Er betrifft vorwiegend Männer und führt mit zunehmendem Alter zuGeheimratsecken und Glatzen am Oberkopf. Aber auch Frauen können, meist nach der Menopause,von dieser Art von Haarausfall betroffen sein, wobei sich hier eine Lichtung im Scheitelbereich zeigt“,sagt Messeritsch-Fanta. In selteneren Fällen kann es nach Operationen, schweren Infekten, durchMedikamente oder eine Autoimmunerkrankung zu Haarausfall kommen.
Die richtige Ernährung
Unsere Haarfollikel gehören zu den teilungsaktivsten Zellen des Körpers. Aus diesem Grund, erklärtMesseritsch-Fanta, benötigen sie eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen wie Zink, Eisenoder Vitamin B, Vitamin H und Vitamin D. Zwar seien echte Mangelerscheinungen in denIndustrienationen eher selten, gerade der diffuse Haarausfall durch Eisenmangel komme aber häufigvor, weiß die Ärztin. „Auch einseitige Diäten und Ernährungsgewohnheiten können zu einermangelhaften Versorgung der Haare mit Makro- und Mikronährstoffen führen, deshalb ist auf eineausgewogene Ernährung zu achten.“ Daneben rät Messeritsch-Fanta zu schonender Haarpflege.„Frisuren, die starken Zug oder Druck auf die Haarwurzeln ausüben, sollte man vermeiden. Außerdemkann sich intensive Sonnenbestrahlung negativ auf die Haardichte auswirken.“ In den meisten Fällenhört der Haarausfall von allein wieder auf. Trotzdem ist die richtige Anlaufstelle für besorgtePatientinnen und Patienten ein Hautarzt. Dieser klärt die Ursache ab und findet die passendeBehandlung.
-Androgenetische Alopezie
Definition: Dieser häufigste diffuse Haarverlust bei Frauen und Männern führt bei Männern meist zurBildung von Geheimratsecken oder auch zu einer Glatze. Bei Frauen kommt es hingegen zu einerverminderten Dichte der Kopfhaare; Schuppen, Juckreiz und Hautunreinheiten treten häufig auf.
Auslöser: Eine veranlagungsbedingt erhöhte Empfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber den männliche-
n Sexualhormonen (Androgenen). Bei diesem genetisch bedingten Haarausfall spielen Lebensalter und familiäre Veränderun-gen eine wichtige Rolle. Meist beginnt er zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.
Behandlung: Tabletten oder Präparate zur äußerlichen Anwendung, bei Frauen empfehlen Hautärzte auch eineMesotherapie.
-Diffuser Haarausfall:
Definition: Charakteristisch bei diesem Haarausfall ist, dass die Haare über die gesamte Kopfhaut ausgehen. Er tritt unabhän-gig vom Alter auf. Beim Soforttyp tritt der Haarverlust akut und schnell fortschreitend auf, binnen kurzer Zeit kann man einemassive Lichtung der Kopfhaare erkennen. Beim Spättyp geschieht der Haarausfall eher schleichend.
Auslöser: eine Störung im Ablauf der Wachstumsphase. Das Haar wird aus seinem vollen Wachstum herausgerissen undgeht sofort in die Ruhephase über. Ursachen beim Soforttyp können Vollnarkosen, medikamentöse Trigger oder akute fieber-hafte Infekte sein. Beim Spättyp sind chronische Erkrankungen und Infekte, seelische Belastungen, Nierenfunktionsstörungenoder Mangelernährung sowie Medikamente die häufigsten Auslöser.
Behandlung: Die auslösende Ursache muss aufgedeckt und behandelt werden.
-Schilddrüsenbedingter Haarverlust
Definition & Auslöser: Bei einer Fehlfunktion der Schilddrüse kann die Wachstumsphase der Haare verkürzt und die Erho-lungsphase verlängert werden, wodurch ein diffuser Haarverlust entstehen kann.
Diagnose: durch eine Untersuchung der Kopfhaut und Kontrolle der Schilddrüsenfunktion im Labor.
Behandlung: Wiederherstellung einer fehlerfreien Schilddrüsenfunktion.
-Spannungshaarausfall
Definition: Der Spannungshaarausfall ist durch Missempfindungen an der Kopfhaut bis hin zu starken Schmerzen im Bereichder einzelnen Haare gekennzeichnet.
Auslöser: Vermehrte Aktivität der Kopfhautmuskulatur, was schließlich zu einer Verminderung der Durchblutung und derNährstoffversorgung am Haarfollikel führt. Konkret kann beispielsweise das Tragen einer Haarverlängerung („Extensions“) zuSpannungshaarausfall führen.
Behandlung: Entspannung der Kopfhautmuskulatur mittels pflanzlicher oder bakteriologisch hergestellte Spannungslöser.Kommt der Haarausfall durch eine Haarverlängerung, die zu schwer ist oder die Kopfhaut reizt, sollte diese umgehend ent-fernt werden.
-Stressbedingter Haarverlust
Definition: Dieser Haarverlust kommt nur bei Frauen vor, wenn die Veranlagung zu einer androgenetischen Alopezie undStress gegeben ist.
Auslöser: Bei Stress entsteht am Haarfollikel eine neurogene Entzündung, wenn gleichzeitig bestimmte Rezeptoren undMastzellen an den Haarfollikeln vorhanden sind.
Behandlung: entzündungshemmende Medikation und Stress-Bewältigungs-Therapien.
-Alopecia areata/totalis/universalis
Definition: Der kreisrunde Haarausfall beginnt meist am Kopf, bei Männern auch in der Bartregion. Die Haare fallen nicht dif-fus aus, sondern in einem umschriebenen Gebiet, das dann völlig haarlos wird. In manchen Fällen fallen alle Haare auf demKopf aus (Alopecia areata totalis). Von einer Alopecia areata universalis spricht man hingegen, wenn auch Augenbrauen,Wimpern und die gesamte restliche Körperbehaarung ausfallen. Alle Haare können aber auch wieder nachwachsen.
Auslöser: Die Alopecia areata ist eine Autoimmunerkrankung, bei der körpereigene Zellen die Haarfollikel angreifen. Sie tritthäufig in Verbindung mit besonderen Stresserlebnissen auf und kann auch bei Kindern vorkommen (zum Beispiel nach demVerlust eines Haustieres).
Behandlung: Tinkturen und Lösungen zur äußerlichen Anwendung oder Mesotherapie.
-Altersalopezie
Definition & Auslöser: Altersbedingter Haarausfall beginnt bei Frauen und Männern meist um das 60. Lebensjahr und führt zueiner diffusen Verminderung der Haardichte am gesamten Körper. Grund ist eine Erschöpfung der Haarfollikel.
Behandlung: Hilfreich kann die Einnahme von für das Haar wichtigen Vitaminen und Spurenelementen sein.
-Haarausfall vor und nach der Geburt
Definition: In der Schwangerschaft, nach der Geburt und während der Stillzeit bemerken einige Frauen vorübergehendenHaarausfall. Auslöser: Haarausfall in der Schwangerschaft kann durch Eisenmangel oder das Absetzen der Anti-Baby-Pillehervorgerufen werden. Nach der Geburt kommt Haarausfall wesentlich öfter vor. Das liegt daran, dass dem Körper kein zu-sätzliches Östrogen mehr zugeführt wird. Die Haare, deren Wachstumsphase sich in der Schwangerschaft verlängert hat, fal-len vermehrt in die Ruhephase. Zusätzlich gehen nach zwei bis drei Monaten dann die Haare aus, die im normalen Zyklusausfallen und es macht sich ein vermehrter Haarverlust bemerkbar.
Behandlung: Der postpartale Haarausfall normalisiert sich meist nach spätestens neun Monaten wieder. Hält er an, sollte un-bedingt eine Dermatologin/ein Dermatologe konsultiert werden. Unterstützend können Sie die geschwächten Haarwurzeln mitVitaminen, Mineralien und Spurenelementen versorgen.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 09/2019