Die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Doris Trescher ist seit einem Jahran Bord der telefonischen Gesundheitsberatung 1450.
Supervisor Gernot Gschöpf gibt alle Informationen sofort über die unterschiedlichstenDatenkanäle an die Einsatzkräfte weiter.
DGKP Doris Trescher, Matthias Maiwald und Oberarzt Dr. Christian Fohringer
Sie machen esgut …
Das niederösterreichische Notrufsystem ist heuer15 Jahre alt. Es ist hoch ausgeklügelt und weltweitnicht nur anerkannt, sondern vorbildhaft.
Mehr als eineinhalb Millionen Mal klingelte im Vorjahr das Telefonbei einer der Nummern von Notruf NÖ, fast 300.000 Mal kam esdaraufhin zu Notfalleinsätzen, über 800.000 Mal wurden Kranken-transporte durchgeführt. Täglich finden bis zu 6.000 sogenannteEvents statt, zusätzlich werden unzählige Rufhilfealarme abgewi-ckelt und viele tausend technische Meldungen automatisiert verar-beitet.
Egal, ob es um eine Geburt geht, die nicht mehr warten kann, um den Hilferuf eines Suizidgefährdeten, um einendringend notwendigen Intensivtransport per Hubschrauber oder ganz einfach um den Sturz einer alten Dame –die Männer und Frauen an den Telefonen der Nummern 144, 141 und 1450 wissen immer, was in diesen und un-zähligen anderen Fällen zu tun ist – und sie sagen es den Anrufern mit Ruhe und Gelassenheit. „Das Leid vonMenschen in Not bestimmt unseren Alltag. Wir sorgen dafür, dass Verletzte gerettet, Kinder geboren und Krankerichtig medizinisch versorgt werden können“, sagt der Geschäftsführer von Notruf NÖ, Ing. Christof ConstantinChwojka. „Für die Anrufer ist das in der Regel ein außergewöhnliches und einmaliges Lebensereignis, für uns istes Routine.“
Ein ausgeklügeltes System
Freilich keine kalte Routine, wie man etwa an Matthias Maiwald sieht. Der engagierte junge Mann ist seit fünf Jah-ren im Team von Notruf NÖ und hat gleich drei unterschiedliche Aufgaben: „Ich mache die Notrufannahme am Te-lefon, disponiere Krankentransporte und überwache Einsätze, und ich bin zudem auch als Qualitätsmanager fürdie Bewertung von Notrufen zuständig“, sagt er. Gerade eben hat er einen „klassischen“ Fall am Telefon: EineFrau ruft 144 an, ihre Mutter ist gestürzt und sie weiß nicht, was nun zu tun ist. Mit ruhiger Stimme fragt der „Call-talker“ als Erstes nach Adresse und Rückrufnummer, dann nach den genauen Umständen des Sturzes und infor-miert danach die Anruferin darüber, wie sie ihrer Mutter bestmöglich helfen kann, bis die Rettung da ist. In derZwischenzeit alarmiert ein Disponenten-Kollege bereits während des Gesprächs die Rettungskräfte, und MatthiasMaiwald beendet das Gespräch erst, als die Anruferin sich auskennt und beruhigt ist. „Da das Telefonieren unddas Disponieren von zwei verschiedenen Personen durchgeführt werden, verlieren wir für den Patienten keinewertvolle Zeit. Die Informationen, die wir am Telefon bekommen, notieren wir und übermitteln sie dem Disponen-ten in Echtzeit über das Einsatzleitsystem. Der Disponent gibt sie sofort an die Fahrzeuge weiter“, erklärt MatthiasMaiwald das System, das ganz anders funktioniert als noch vor Jahren, als Rettungsfahrzeuge oft ausfuhren,ohne dass genau bekannt war, welche Umstände bei dem Patienten in Not vorlagen.
Schießen im Dunklen
Das vorab zu wissen ist aber von entscheidender Bedeutung, wie man gerade am Beispiel Sturz gut erkennenkann. „Es macht einen großen Unterschied, ob jemand von einem Sessel, aus dem dritten Stock oder vomBerg gestürzt ist. Das klären wir im Vorfeld ab, um die richtigen Rettungsmittel vor Ort schicken zu können“,erklärt dazu einer der beiden medizinischen Leiter von Notruf NÖ, Dr. Christian Fohringer. Tatsächlich sehendie Calltalker des Notrufs die Anrufer sozusagen als ihre Augen, Nasen, Ohren und Hände, denn: „Am Telefonsehen und riechen wir nichts, und wir sind auf die Informationen der Anrufer angewiesen, um etwa die richtigeErste Hilfe anleiten zu können.“
Center of Excellence
So erstaunt es nicht, dass 144 Notruf NÖ die internationale Zertifizierung als „Center of Excellence“ hat. „DieQualität der Notrufbearbeitung von der Definition des Notfalls über den genauen Notfallort, Erste-Hilfe-Anwei-sungen bis hin zur Alarmierung der Rettungsorganisationen liegt bei über 95 Prozent“, sagt Christian Fohrin-ger, der die medizinische Letztverantwortung im System hat. „Aus der Abfrage des Notrufs ergeben sich so-genannte Einsatzstichwörter oder Alarmpläne, die entsprechend der Ausrückordnung in unterschiedlichen Ka-tegorien zusammengefasst sind. Es gibt über 1.800 solcher Codes, aufgrund derer wir entscheiden müssen,was zu tun ist. Alarmiert wird entsprechend der jeweiligen Eventkategorie das am schnellsten eintreffende Ein-satzmittel.“ In kritischen Notfällen – aber vor allem bei instabilen, vital bedrohten Patienten – bleiben die Call-talker übrigens so lange am Telefon, bis die Kollegen von der Rettung beim Anrufer angekommen sind. Obund wie das stattfindet, ist durch exakte Kriterien vorgegeben, und auch viele Fragen und Erklärungen, die dieCalltalker stellen oder abgeben, sind vorab festgelegt. Damit ist das rechte Wort zur rechten Zeit gesichert.Das hoch ausgeklügelte Abfragesystem wird übrigens weltweit in 3.000 Leitstellen und 19 Sprachen genausowie in Niederösterreich benützt und eingesetzt. Eine Notrufbeantwortung erfolgt also in Kuala Lumpur in Ma-laysien ganz genauso wie in Raabs im Waldviertel.
Hilfe in akuter Not
Interessant ist auch, dass viele Telefongespräche bezüglich ihrer Fachlichkeit bewertet werden. Das ist eineder Aufgaben von Matthias Maiwald in seiner Funktion als Qualitätsmanager. „Eins steht für eine ganz normaleGesprächsbasis mit einem Anrufer, fünf für ein emotional eskalierendes Gespräch. Unser Durchschnittswertbei den Telefonaten ist 1,55, was den emotionalen Zustand und Kooperationsbereitschaft des Anrufers an-geht. Daraus lassen sich weitere Bewertungen für unsere Mitarbeiter ableiten, wie sie mit dem Anrufer umge-hen“, freut er sich über eine äußerst positive diesbezügliche Bilanz. Was wohl daran liegt, dass die Calltalkerbestens geschult sind und wissen, dass etwa eine Mutter, die wegen eines Notfalls bei ihrem Kind anruft, auchUnterstützung braucht und begleitet werden muss, wenn der Notfall nicht so dramatisch ist. In schlimmerenFällen – nach einem potenziell traumatisierenden Ereignis – steht das Akutteam NÖ zur Verfügung. Es arbeitet
in Kooperation mit den Kriseninterventionsteams der Rettungsorganisa-tionen in Niederösterreich und der Notfallseelsorge. Anhand eines beiNotruf NÖ hinterlegten strukturierten Alarmierungsschemas werden jenach Anlass die erforderlichen Ressourcen bedarfsgerecht eingesetztund alarmiert. Für die mobile Betreuung vor Ort haben rund um die Uhreine Fachkraft für Sozialarbeit und fünf Fachkräfte aus dem psychologi-schen Bereich Bereitschaftsdienst, die Menschen in ganz Niederöster-reich in den ersten Tagen und Wochen nach einem potenziell traumati-sierenden Ereignis kostenlos betreuen. Fachliche Leiterin des Akut-teams ist Mag. Sandra Pitzl: „Wir unterstützen und begleiten die Men-schen bei medizinischen Notfällen oder plötzlichen Todesfällen, bei Un-fällen mit Schwerverletzten oder Toten, bei Suiziden und Suizidversu-chen oder -androhungen, bei Gewalttaten, akuten Krisen in der Familieoder bei Elementarereignissen. Das Erleben eines solchen Ereignisseskann für Betroffene und Angehörige eine große psychische Belastungdarstellen. Manche Menschen empfinden das sehr intensiv, oder sie lei-den noch unter vorangegangenen Belastungen und können daherdurch einen Notfall so überfordert sein, dass eine fachliche Betreuungdurch das Akutteam notwendig ist.“ In erster Linie gehe es dabei dar-um, für die Menschen da zu sein und ihnen das Gefühl zu geben, diesie überwältigenden Emotionen gemeinsam mit ihnen „auszuhalten“und etwa auch ungewöhnliche Reaktionen zu akzeptieren und zu nor-malisieren. Oft sind auch Kinder zu betreuen, die ihre ganz eigene Arthaben, mit Notfall-Ereignissen umzugehen.
Telefonische Gesundheitsberatung
Ein weiteres Service von Notruf NÖ ist die Nummer 1450 der telefoni-schen Gesundheitsberatung. Sie stellt ein umfassendes Netz dar, dasüber die bestehenden Dienste und neue Angebote gespannt wird unddie Angebotspalette erweitert, indem auch die niedergelassenen Ärzteoder andere medizinische Einrichtungen noch stärker eingebundenwerden. Nur führt sie den Patienten eben gleich an die richtige Stelle.
Hintergrund für die Implementierung der Nummer ist die Tatsache, dass70 Prozent der Menschen die Dringlichkeit ihres „Notfalls“ falsch ein-schätzen: Vier Fünftel der Beschwerden, die in Notfallambulanzen be-handelt werden, könnten auch im niedergelassenen Bereich adäquatversorgt werden. Deshalb erfragt eine speziell geschulte diplomierteKrankenpflegeperson, die das Gesundheitssystem gut kennt, die Sym-ptome und kann dadurch die Dringlichkeit der Beschwerden erfassenund definieren. Daraus folgen Empfehlungen, wie am besten geholfenwerden kann. Die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin DorisTrescher ist seit einem Jahr an Bord der telefonischen Gesundheitsbe-ratung. „Unser Aufgabenspektrum ist sehr breit und umfasst von derBeratung bei Grippewellen oder Viruserkrankungen bis hin zur Informa-tion über die Möglichkeiten der 24-Stunden-Pflege so ziemlich alles ausdem medizinischen Bereich“, sagt sie, die ihren Job liebt: „Diese Arbeitist unglaublich vielfältig und herausfordernd, und wenn man morgenskommt, weiß man nie, was einen an diesem Tag erwartet.“
So geht es wohl allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Notruf NÖ.Was das Schönste an ihrer Arbeit ist? „Wenn jemand, dem man vor eini-ger Zeit geholfen hat, plötzlich in der Leitstelle steht und sich bedankt“,antwortet Geschäftsführer Chwojka. „Dann sehen und spüren wir, dassunsere Arbeit Sinn macht und den Menschen damit wirklich geholfenist.“
Gabriele Vasak
Mag. Sandra Pitzl ist
fachliche Leiterin
des Akutteams NÖ.
Ing. Christof Constantin
Chwojka, Geschäfts-führer von Notruf NÖ
Notruf NÖ
Notruf NÖ koordiniert Notarzt- und Rettungseinsätze sowie Kranken-transporte in Niederösterreich an vier Betriebsstätten in St. Pölten, Kor-neuburg, Mödling und Zwettl. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vonNotruf NÖ sind betraut mit der Entgegennahme, Beurteilung, Abarbei-tung, Umsetzung und Übergabe von Krankentransportanforderungen,Rettungsdienstanforderungen und Notarztanforderungen jeglicher Art.Notruf NÖ betreibt den NÖ Ärztedienst und das Akutteam NÖ, errich-tet und betreut bei Großunfällen und Katastrophen eine Hotline. Dabeiist er Leitstelle, Kommunikationsdrehscheibe und Kooperationspartnervon:
-Rotes Kreuz
-Arbeitersamariterbund
-Christophorus Flugrettung
-NÖ Landeskliniken-Holding
-Österreichischer Bergrettungsdienst NÖ/W
-Rettungs- und Suchhundestaffeln
-Johanniter Unfallhilfe NÖ
-Österreichischer Höhlenrettung
-Österreichischer Wasserrettung
-Ökumenischer Notfallseelsorge
-Flughafen Wien AG
Notruf NÖ wurde 2003 gegründet und ist eine Gesellschaft mit be-schränkter Haftung. Gesellschafter sind das Land NÖ über den NÖ-GUS, das Rote Kreuz NÖ, der ASBÖ LV NÖ und der ChristophorusFlugrettungsverein des ÖAMTC. Als gemeinnützige Gesellschaft istNotruf NÖ nicht gewinnorientiert. Bis zu 38 Personen arbeiten im Call-center, als Disponenten, Supervisoren und Gesundheitsberater. Sie ha-ben ein dichtes Auswahlverfahren hinter sich, sind bestens geschultund müssen sich verpflichtend alle drei Monate weiterbilden. Ihre Ar-beitsleistung wird laufend fachlich und inhaltlich bewertet, sie durchlau-fen Feedbackgespräche. Der Mindestqualitätsstandard in der Notrufbe-ratung beträgt 95 Prozent.
Informationen: Notruf NÖ GmbH, Niederösterreichring 2, 3100 St. Pöl-ten,