Ziemlich bescheiden und ebenso beharrlichwerkt der „Literaturmensch“ Wolfgang Kühnin seiner Welt daran, dass Dichtung an denMann und die Frau kommt.
Begonnen hat alles vor 25 Jahren – mit einer Idee, ge-boren aus Langeweile und Frust in einem Bürojob, fürden er nie geschaffen war. Eine gute Zeitschrift zu ma-chen war das Ziel von Wolfgang Kühn und zwei seinerFreunde und späteren Mitstreiter für die Verbreitungvon Literatur. „DUM – Das Ultimative Magazin“ wurdesie getauft, und was mit ein wenig Literatur, Reisebe-richten und Suchbildrätseln begann, ist heute eine ausder literarischen Landschaft Österreichs nicht mehrwegzudenkende Zeitschrift mit Beiträgen aus demdeutschsprachigen Raum inklusive übersetzter Texte
aus anderen Sprachen. „Mir geht es darum, gute Literatur an den Mann und die Frau zu bringen und dabei selbst Spaß und Freude zu ha-ben“, sagt der 52-jährige Niederösterreicher mit einem gewissen Understatement, denn die Liste seiner literarischen Aktivitäten ist lang,und diejenigen, die er mit seiner Arbeit „hinter den Kulissen“ gefördert hat, zahlreich.
Fädenzieher
Dass er selbst auch ansprechende Mundartdichtung produziert, Songtexte schreibt, an mehreren Musikformationen beteiligt ist, das inter-nationale Kulturenfestival „Literatur & Wein“ mitbegründet hat, Herausgeber mehrerer Anthologien und Organisator zahlreicher hochkaräti-ger Leseveranstaltungen ist, muss man ihm erst Stück für Stück herauslocken – das hohe Ross und die großen Reden sind seine Sachenicht. Ruhig und bescheiden werkt er in seinem selbst renovierten Haus in Zöbing im Waldviertel an allem, was ihm das Leben in SachenLiteratur so zuträgt.
Das ist nicht nur eine ganze Menge, sondern auch sehr vielfältig, und er lässt sich gern immer wieder von Neuem erstaunen. „Am bestenbin ich immer gefahren, wenn ich mich vom Leben überraschen habe lassen, und auf nur eine Sache festlegen, das ist nicht meins“, sagter und grinst ein bisschen.
Ein genauer Beobachter
Dementsprechend ist auch seine eigene Literatur – vornehmlich Mundarttexte – immer ein wenig ironisch und augenzwinkernd. „Des Wet-ta wiad betta“ heißt sein erster Mundart-Lyrikband, den er 2006 veröffentlichte, „in meina wöd“ ein anderer, „wos si a viech so denkt“ eindritter. Immer geht es um das Leben der Menschen, Tiere und „Halbtiere“ am Land, betrachtet aus dem ganz eigenwilligen Blickwinkel ei-nes, der Niederösterreich bis in die kleinsten Dörfer hinein sehr gut kennt.
Als Organisator und Moderator kleiner und großer literarischer Veranstaltungen tourt Wolfgang Kühn durch die Lande, zieht Größen wiePeter Turrini, Felix Mitterer, Alfred Komarek und viele andere an Bord und bleibt dabei immer im Hintergrund. Die erfolgreichen Niederös-terreich-Anthologien „Mein Waldviertel“, „Mein Weinviertel“, „Mein Mostviertel“ und „Mein Industrieviertel“ mit Beiträgen von Josef Haslin-ger, Gertraud Klemm, Bodo Hell, Sylvia Treudl und vielen anderen prominenten Literatinnen und Literaten gehen auf sein Herausgeber-Konto, ebenso der jüngste Sammelband „Meine Donau“.
Ihm selbst gefällt an Niederösterreich – man ahnt es – am besten das stille Waldviertel. „Ich mag die Ruhe, die Menschenleere, die wun-derschöne Landschaft, und ich hoffe, dass sie niemals durch eine Autobahn zerschnitten wird“, sagt er.
Musikalische Spuren
Was ihm sonst noch Spaß macht, ist das solo Poetry-Slammen und das gemeinsame Musikmachen – die CD „Kalmuk“, die er 2003 mitden Musikern Michael Bruckner und Fabian Pollack in dem Projekt „zur Wachauerin“ herausbrachte, war ein großer Erfolg, ebenso die Zu-sammenarbeit mit dem Wienerlied-Duo „Die Strottern“, die in der CD „Live @ Glatt & Verkehrt“ mündete. Seit 2015 arbeitet er musikalischauch mit der Sängerin Irmie Vesselsky zusammen, und: Seit kurzem schreibt er an seinem ersten längeren Prosatext, über den er aller-dings noch nichts Genaueres verraten will oder kann.
Was nach einer Erfolgsgeschichte ohne Ecken und Kanten klingt, hört sich aus dem Mund von Wolfgang Kühn ganz allürenlos an.
„Ich schreibe seit vielen Jahren, meistens aber nur, wenn grade Zeit ist“, sagt er etwa, oder: „Esentsteht ständig etwas Neues, und irgendwie ist alles Teil von mir.“
Einer dieser Teile ist seine bunte Vergangenheit. Kühn lebte nach seinem Englisch/Spanisch-Studium ein Jahr lang in London, wo er die Hooligan-Szene beobachtete und beschrieb, er jobb-te als Heurigenkellner, Lokalreporter, Stadtführer, Nachhilfelehrer, Ausstellungsgestalter etc. Da-bei behielt er immer die Literatur als Konstante im Blickfeld – auffallend subjektiv in dem, was erselbst schreibt, erstaunlich objektiv in seiner Arbeit als Herausgeber der LiteraturzeitschriftDUM.
Anders als oft üblich werden nämlich die Texte, die mehr oder weniger bekannte Literaten allerSparten dem nach wie vor dreiköpfigen DUM-Team zur Veröffentlichung anbieten, vorerst ein-mal anonymisiert und danach von allen dreien anhand von Skalen beurteilt. „Am Schluss zähleich die Wertungen zusammen, und so kommt es zu den Publikationen, die dann in DUM er-scheinen“, erzählt er. Jeder, der den Literaturbetrieb ein wenig kennt, weiß, dass solches Vorge-hen die Ausnahme ist.
Offene Türen
Fragt sich noch, was Wolfgang Kühn mit dem Thema Gesundheit verbindet. Auch da gerät manins Staunen, denn der Literat ist ein konsequenter Autoverweigerer und passionierter Radfahrer,der nachts und bei eklatanten Minustemperaturen ordentliche Strecken zurücklegt. Gemeinsammit seiner Lebenspartnerin pflanzt und konsumiert er eigenes Gemüse und Obst, bewirtschafteteinen kleinen Weingarten, spielt Fußball und Volleyball und liebt es, Zeit im nahegelegenenWald zu verbringen.
Was er sonst noch mag, ist das Reisen: Winters zieht es ihn und seine Lebensgefährtin immerwieder in ferne südliche Gefilde, und wenn Schluss mit lustig am Land ist, kann es schon malvorkommen, dass er ein paar Tage in seiner kleinen Wiener Wohnung verbringt und mit Freun-den guten Gläsern zuspricht – bis sich das nächste Projekt ergibt, das ihn in seinen Bann zieht.„Es tun sich für mich halt immer wieder viele Türen auf“, sagt er trocken. Man darf gespanntsein, welche für den sympathischen Literaturmenschen als nächste aufgeht.