Verstopfung und Durchfall sind weit verbreitetund werden oft tabuisiert oder verharmlost.Doch nicht immer sollte man darüber schweigenoder die Sache auf die leichte Schulter nehmen.
Schnell, von anderen unbemerkt und selbstverständlich regelmäßig – so sollte Verdauung vor sich gehen. Doch gerade die Verstop-fung plagt immer wieder unzählige Menschen. „Von Obstipation spricht man, wenn seltener als drei Mal pro Woche Stuhl abgesetztwird und wenn dieser hart ist und man bei der Entleerung stark pressen muss. Das Problem ist extrem häufig, und leider sind oftauch schon Kinder im Volksschulalter massiv betroffen“, weiß die unter anderem auf Störungen im Magen-Darm-Bereich spezialisier-te Allgemeinmedizinerin Dr. Martina Hasenhündl aus Stetten.
Falsche Lebensgewohnheiten
Die Ärztin betont, dass häufig auftretende Verstopfungen viel mit unseren Lebensgewohnheiten zu tun haben. Denn viele Menschenbewegen sich zu wenig und ernähren sich falsch. Vor allem der Mangel an Flüssigkeit und Ballaststoffen führt zu dieser Art von Ver-dauungsproblemen. Doch auch unser zu oft auf Schnelligkeit ausgerichteter Lebensstil kann Verstopfungen fördern. Wer
ständig unter Stress steht und sich keine Zeit für das normalste Geschäft der Welt nimmt, unterdrückt nämlich auch den natürlichenRhythmus der Stuhlentleerung. Nicht zuletzt sind auch unsere Toiletten nicht wirklich den Bedürfnissen unseres Körpers beim Stuhl-gang angepasst und erzwingen eine Sitzhaltung, die in dieser Hinsicht geradezu kontraproduktiv wirkt. „Die Toiletten in unseren Brei-ten sind viel zu hoch montiert. In der Haltung, die man so einnehmen muss, kann der Schließmuskel sich nicht von selbst öffnen, unddas ungesunde Pressen ist vorprogrammiert“, kritisiert Martina Hasenhündl.
Sie beobachtet auch, dass der Irrglaube, Pressen gehöre zum Stuhlgang, in der Bevölkerung weit verbreitet ist. „In Wahrheit sollteder Stuhl ganz leicht und von alleine herauskommen. Pressen führt zu einer Erweiterung des Enddarms, und in der Folge kommt eszu weiteren Komplikationen, etwa zu Hämorrhoidalleiden.“ Die Ärztin empfiehlt daher neben ausreichendem Trinken, genügend Be-wegung und einer ballaststoffreichen Ernährung auch, sich Zeit für den Toilettengang zu nehmen, die Füße dabei auf einen kleinen
Schemel zu stellen und den Rücken gerade zu halten, denn so kann der Stuhl leicht von selbst abgehen, ohne dass man pressenmuss.
Vorsicht bei Abführmitteln!
Wenn aber gar nichts mehr geht und man eine Woche oder länger keinen Stuhl abgesetzt hat, muss der Weg zur Ärztin, zum Arztführen. Er oder sie kann Laxanzien (Abführmittel) verschreiben, die symptomatisch wirken und nur kurzzeitig eingenommen werdensollten. Denn es ist zwar wichtig, den Motor der Verdauung wieder „anzukurbeln“, aber diese Mittel können relativ rasch zu einer Ab-hängigkeit führen, und auf lange Sicht gesehen kann man so die Struktur des Darms unwiderruflich schädigen. Die Darmbewegun-gen werden schwach und der Stuhl nicht mehr ausreichend aus dem Darm befördert. Das Problem bleibt also verschärft bestehen.Deshalb sollte man Abführmittel nur unter ärztlicher Kontrolle einnehmen.
Reizdarmsyndrom
Die genaue Ursache der Verstopfung sollte man ärztlich abklären, denn nicht immer ist das Problem harmlos. Manchmal kann aucheine Verschlingung des Darms oder ein Tumor die Ursache sein. Nicht zuletzt ist Verstopfung oft auch Symptom eines Reizdarms,einer Erkrankung des Verdauungssystems, bei der die Funktion des Darms gestört ist. In diesen Fällen kommen Symptome wieBauchschmerzen bis hin zu kolikartigen Beschwerden, Blähungen, Völlegefühl und eventuell auch Übelkeit hinzu.
Symptom eines Reizdarms kann auch das Gegenteil der Verstopfung – der Durchfall – sein. „Von Durchfall spricht man, wenn derStuhl wässrig und spritzend ist und mehr als drei Mal pro Tag auftritt“, erklärt Allgemeinmedizinerin Hasenhündl. Beim Reizdarmsyn-drom vom Durchfalltyp ist das über längere Zeit oder immer wieder der Fall, und Betroffene müssen ärztlich behandelt werden.
Die genaue Ursache der Erkrankung ist bis heute noch nicht bekannt. Man weiß aber, dass einerseits Umweltfaktoren eine Rollespielen, und dass das Reizdarmsyndrom andererseits bei Menschen mit bestimmten genetischen Veränderungen häufiger auftritt.Oft diskutierte Ursachen für einen Reizdarm sind Stress, Darminfekte, Ernährung und Darmflora. Betroffen von dieser Erkrankungsind übrigens sehr viele: 50 Prozent aller Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden haben ein Reizdarmsyndrom, und insgesamtklagt jeder fünfte Mensch in Österreich über reizdarmähnliche Symptome.
Durchfallerkrankungen
Was den nicht vom Reizdarmsyndrom verursachten Durchfall betrifft, so wird er meist durch eine Infektion mit Bakterien oder Virenausgelöst. In den meisten Fällen klingen die Beschwerden nach kurzem Verlauf ab. Man spricht dann von akuten Diarrhöen. Nichtimmer aber ist die Sache harmlos, denn bei einer Durchfallerkrankung scheidet der Körper übermäßig viel Flüssigkeit aus, dadurchkann es zu einem Elektrolytverlust kommen. Dann gerät das biochemische Gleichgewicht aus der Balance, und der Körper kannnicht mehr ausreichend mit Flüssigkeit und Mineralstoffen versorgt werden. „Vor allem für Kinder und ältere Menschen ist diese Si-tuation gefährlich, denn der Körper kann im wahrsten Sinn des Wortes ‚austrocknen‘, und das kann lebensbedrohlich sein“, sagtMartina Hasenhündl. Sie empfiehlt bei Durchfall eine Elektrolytlösung, die in der Apotheke erhältlich ist und die man auch selbst zu-bereiten kann. Die WHO empfiehlt dafür, vier Teelöffel Zucker, einen dreiviertel Teelöffel Salz, eine Tasse Orangensaft und einen LiterMineralwasser zu mischen. Von einer „Selbstmedikation“ mit Cola und Salzstangen ist hingegen abzuraten. „Das ist regelrecht kon-traproduktiv, denn Cola enthält viel zu viel Zucker, der den Durchfall verstärken kann, und das Salz auf den Stangen entzieht demKörper Wasser und verschlimmert das Problem der Austrocknung“, sagt die Ärztin.
Vorbeugung
Was man hingegen tun kann, um akute Durchfallerkrankungen schon von vornherein zu vermeiden, ist, bestimmte Hygiene- und Ver-haltensregeln genau zu beachten. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist häufiges Händewaschen. Auf Reisen hilft es zudem, auf Lei-tungswasser und daraus hergestellte Produkte wie Eiswürfel oder gespritzten Fruchtsaft zu verzichten. Obst und Gemüse sollten ge-schält und gründlich mit keimfreiem Wasser gewaschen werden. Denken Sie dabei immer an den Leitsatz „Koch es, schäl es oderlass es!“ Und eines legt die Allgemeinmedizinerin Betroffenen noch ans Herz: „Wie auch immer Ihr Verdauungsproblem geartet ist,tabuisieren Sie es nicht und gehen Sie zur Ärztin, zum Arzt, wenn die Sache Ihnen Beschwerden macht.“
Gabriele Vasak
Verstopfung vorbeugen
-ausreichend trinken
-genügend Bewegung
-ballaststoffreiche Ernährung
-Zeit nehmen für den
Toilettengang: Füße dabei auf einen kleinen Schemel stellen, Rücken gerade halten, nicht pressen
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 04/2019