Sie tragen eine enorme Verantwortung: Täglich fließen einige tausend Liter Blut durchdie Venen. In ihnen wird das sauerstoffarme Blut in Richtung Herz transportiert. In derLunge wird es mit Sauerstoff angereichert und von der linken Herzkammer über dieAorta (Hauptschlagader) in die Arterien gepumpt. Weil der Herzschlag an ihnen gutertastet werden kann, werden Arterien auch Schlagadern genannt. Sie versorgen denganzen Organismus mit Nähr- und Sauerstoffen. Dabei muss das angereicherte Blutmit hohem Druck auch an die Extremitäten, also etwa zu den Händen und Füßen ge-langen. Die Arterienwände sind daher kräftiger als die der Venen, in denen das Blutunter geringerem Druck langsamer zum Herz fließt. Die Wände der Venen sind dünner,bestehen aus elastischem Bindegewebe und geben leichter nach.
Muskelpumpe Waden
Zusätzlich sind sie mit Venenklappen ausgestattet, die den Blutfluss regulieren. Sieverschließen sich, wenn das Blut nicht mehr herzwärts fließt und verhindern so ein Ab-sacken des Blutes. Sind die Venenklappen schwach oder beschädigt, spricht manvon einer venösen Insuffizienz oder Venenschwäche. Das gegen die Schwerkraft inRichtung Herz gepumpte Blut sackt wieder zurück und staut sich.
Die Folgen: geschwollene Beine und dicke Knöchel. Besonders strapazi-ös für die Venen sind langes Sitzen oder Stehen. Wenn wir etwa lange vordem Bildschirm verharren oder im Flugzeug viele Stunden beengt und be-wegungslos sitzen, wird die Muskelpumpe in den Waden nicht genutzt.Beim Gehenoder Laufen spannen wir die Wadenmuskel an. Durch dieMuskelkontraktion werden die Venen zusammengedrückt und das Blutaus den Beinen zum Herz befördert. Bei langem Sitzen sollte man daherimmer Bewegungspausen einplanen.
Volkskrankheit Venenleiden
„Der Mensch ist so alt wie seine Gefäße“, schrieb der deutsche Arzt undPathologe Rudolf Virchow bereits im 19. Jahrhundert. Eine Aussage, diebis heute nicht an Aktualität verloren hat. Denn die Venenklappen nehmenmit zunehmendem Alter ab: Mit siebzig Jahren hat sich ihre Zahl auf rundein Fünftel reduziert. Daher steigt im höheren Alter auch das Risiko einerVenenschwäche, die von feinen Besenreisern bis zu dicken, bläulichenKrampfadern reicht. Zu den Venenerkrankungen zählen auch Entzündun-gen der oberflächlichen Venen, Thrombosen (Verschluss der tiefen Ve-nen) und das offene Bein (Beingeschwür). Weltweit zählen Venenleidennach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den häufigs-ten Erkrankungen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Ursachensind das weichere Bindegewebe von Frauen und das weibliche HormonÖstrogen. Besonders bei Schwangeren steigt durch die höhere Östrogen-Konzentration die Anfälligkeit für Venenleiden.
Venenfreundlich
Im Sommer treten geschwollene Beine und Füße häufiger auf, weil sichdurch die Hitze die Gefäße erweitern. Es bleibt dadurch mehr Blut in denVenen und der Rücktransport zum Herz wird erschwert. Experten raten,lange Sonnenbäder zu vermeiden und sich mit kleinen Übungen zu hel-fen. Wenn man sich zum Beispiel abwechselnd von der Ferse auf die Ze-hen stellt, stärkt das den venösen Rückstrom. Langes Stehen und Sitzen,Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und die Anti-Baby-Pille sindGift für die Venen. Das A und O gesunder Venen ist viel Bewegung. Wieaus Studien hervorgeht, ist die Bewegungsfreude der Österreicher im All-tag im EUVergleich nicht sehr hoch. Dabei ist es so einfach, den VenenGutes zu tun: Am besten täglich mindestens fünfzehn Minuten zu Fuß ge-hen und so oft Sport treiben wie möglich. Dazu eignen sich venenfreundli-che Sportarten wie Joggen, Nordic Walking, Radfahren oder Schwimmen.
JACQUELINE KACETL
Mythen rund um die Venen
Hartnäckig halten sich folgende Behauptungen, die aberwissenschaftlich nicht bewiesen sind.
+ Enge Hosen: Der Vorliebe für enge Hosen werden oftunliebsame Folgen wie die Entstehung bzw. Verschlimme-rung von Krampfadern zugeschrieben. Ein Zusammen-hang zwischen dem Tragen enganliegender Beinkleidungund der Bildung von Krampfadern ist medizinisch nicht be-legt.
+ Übereinandergeschlagene Beine: Es ist nicht gesund,beim Sitzen häufig die Beine übereinanderzuschlagen,weil der Blutfluss dadurch beeinträchtigt wird. Zu Krampf-adern führt diese Sitzhaltung jedoch nicht. Ein Risiko stellteher eine sitzende oder stehende berufliche Tätigkeit aus.
+ Kalte Duschen: Morgendlich lieber kalt zu duschen, hatzweifellos positive Gesundheitseffekte. Es+stärkt das Im-munsystem, fördert die Durchblutung und strafft die Haut.Nicht nachgewiesen ist, dass regelmäßiges kaltes Du-schen eine vorbeugende Wirkung gegen Krampfadernhat.
3 Tipps für gesunde Venen
1 Schuhe: Auf hochhackige Schuhe sollte man weitge-hend verzichten. Das Tragen von High Heels behindertdie Funktion der Muskelpumpe in den Waden. Zu einemkompletten Verzicht auf hohe Absätze wird bei einer be-reits vorhandenen Schwäche der Klappen in den tiefenVenen geraten. Besser ist, auf bequeme, flache Schuheumzusteigen.
2 Reisen: Lange Reisen mit Flugzeug, Bahn, Bus oderAuto belasten die Venen. Über viele Stunden hinwegfast unbeweglich zu sitzen, erschwert den Blutfluss undführt zu einem Stau in den Beinen. Mit kleinen Bewe-gungen wie dem Auf- und Abwippen oder dem Kreisender Füße aktiviert man die Muskelpumpe. Im Flugzeugimmer wieder aufstehen und einige Minuten hin- undhergehen. Dazu viel Flüssigkeit wie Wasser und Säftetrinken. Auf Alkohol und Kaffee verzichten. Vorbeugendkönnen auch Kompressionsstrümpfe getragen werden.
3 Bewegung: Ausreichende Bewegung sind das Umund Auf eines venengesunden Lebens. Bei sitzendenTätigkeiten häufig die Sitzposition ändern und immerwieder Bewegungsmöglichkeiten suchen. Falls mög-lich, die Füße so oft wie möglich hochlagern. Auch inden Alltag möglichst viel Bewegung einbauen: zum Bei-spiel das Auto für kurze Strecken stehen lassen und lie-ber zu Fuß gehen, oder in der Mittagspause einen Spa-ziergang machen. Am idealsten ist regelmäßiger Sport.Das kann die Nutzung eines Heimtrainers, Venengym-nastik, Wandern, Joggen, Radfahren, Schwimmen, Tan-zen, Nordic Walking oder Skilanglauf sein.
Vorsicht bei Bluthochdruck
Wie ein Kraftwerk pumpt das Herz literweise Blut durch den Organismus. Wie in allen westlichen Industrieländern zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch in Öster-reich zu den häufigsten Todesursachen.
+ Gefahr Hypertonie: Ist der Druck, mit dem das Herz Blut in die Arterien drückt, zu hoch, können in den Gefäßen feine Risse entstehen. Bluthochdruck (Hypertonie)bleibt oft unentdeckt, sollte aber nicht unterschätzt werden: Folgen können Herzkrankheiten, Arterienverkalkung (Atherosklerose) und Herzmuskelschwäche sein. Imschlimmsten Fall kann hoher Blutdruck zum Schlaganfall führen.
+ Risiken vermeiden: Die regelmäßige Kontrolle des Blutdruckes ist empfehlenswert. Hypertonie wird von vielen nicht-beeinflussbaren Faktoren (wie erbliche Veranla-gung) verursacht. Daneben gibt es auch Risikofaktoren, die man ausschalten kann: Rauchen, Stress, falsche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel und hoherAlkoholkonsum.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 04/2017