Ein Geheimtipp in der Buckligen Welt: Gerda Stocker zaubert Träume aus Wildkräutern.
Große Waldflächen, saftige Wiesen und Streuhöfe, schmale Stra-ßen, bergauf und bergab über sanfte Hügeln oder Buckln, wie sievon Einheimischen genannt werden. Die Aussicht ist phänomenal,alleine der Weg lohnt die Anreise. Aber das Ziel hat noch viel mehrzu bieten: In Lembach, einer kleinen Katastralgemeinde von Kirch-schlag in der Buckligen Welt, liegt ein besonderes Juwel: dasGasthaus Gerda Stocker. Das Wirtshaus gibt es seit 1930, GerdaStocker führt es in vierter Generation. Man meint, die Zeit sei hierstehen geblieben: eine alte massive Schank, ein Speisesaal mitkleinen Blumensträußchen auf den Tischen, der Schiffbodenknarrt, im Kanonenofen lodert das Feuer. Nostalgie pur, es wird ei-nem warm ums Herz. Das Ambiente ist schlicht und ohne Schnör-kel, ganz nach dem Geschmack der Hausherrin. Sie selbst kochtam liebsten am Holzofen, der genauso alt ist wie das Wirtshaus:„Das offene Feuer, die Wärme, das ist ganz anders als bei einemElektroherd.“
Kräuterallerlei
Nach ihrer Lehre im nahen Bad Schönau zog es Gerda Stocker indie Ferne, sie kochte in renommierten Haubenküchen wie im Stei-rereck in Wien oder im Restaurant Österreich in Hamburg. Dannpackte sie das Heimweh, sie kehrte zurück und übernahm die el-terliche Gastwirtschaft. Zwanzig Jahre ist das her. Altes bewahrenund zeitgemäß interpretieren, das ist ihr Motto. Vor etwa sechs Jah-ren entdeckte sie ihre Liebe zu Wildkräutern und -früchten, machteeine Ausbildung zur Kräuterpädagogin und zaubert heute allerleiKöstlichkeiten mit allem, was rund ums Wirtshaus wächst: „Wild-kräuter finde ich einfach faszinierend, sie sind so robust und ha-ben viele Inhaltsstoffe.“ Jede Speise verfeinert sie auf Stocker-Art:Saiblingsfilet auf Brennnesselnudeln, Kalbspörkölt mit Wildkräuter-nockerln, Lammrücken mit Ziegenkäse-Erdäpfeln, gefüllteSchweinsbrust mit Erdäpfel-Löwenzahn-Salat sind nur einige ihrerkulinarischen Highlights. Die Speisen variieren je nach Saison, dieProdukte kommen alle aus der Region: Eier und Erdäpfel ausRansdorf, das Lamm aus Bromberg, Ziegenkäse aus Pengersdorf,Most aus Thernberg, Bauernhofeis vom Weißen Kreuz, Obst undGemüse aus Bad Erlach. Frisches Wild liefern ihr Jäger aus derUmgebung. Seit einem Jahr ist Gerda Stocker auch »tut gut«-Wir-tin (siehe Infokasten Seite 40). Dass ihr die Gesundheit ihrer Gästeam Herzen liegt, zeigt auch die Kooperation mit dem BORG in Wie-ner Neustadt, wo sie gemeinsam mit zwei Angestellten dasSchulbuffet mit gesunden Snacks und warmem Mittagessen be-stückt. Rund 700 Schülerinnen, Schüler und 80 Lehrkräfte genie-ßen dort beispielsweise leichte Pfannengerichte oder Burger mitviel Gemüse statt Mayonnaise. Für GESUND&LEBEN kreiert GerdaStocker eigens ein viergängiges Menü (Rezepte auf diesen Sei-ten). Mit gesundem Kräuterallerlei und mit noch mehr Geschmack.
Ideenreich
Die Kräuter sammelt Gerda Stocker alle selbst, friert und legt sieein oder trocknet sie, „aber vieles wächst auch im Winter“, sagtsie. Wenn sie über ihre Lieblinge spricht, sprudelt es aus der zu-rückhaltenden Wirtin richtig heraus: „Giersch verwende ich gernfür Suppen und Aufläufe, er schmeckt ähnlich wie Petersilie. UndBeifuß ist eine tolle aromatische Pflanze, vielseitig verwendbar.
Seine Bitterstoffe regen die Verdauung an. Spitzwegerich ist gutgegen Husten. Und erst die Königskerze ...“ Geballtes Kräuterwis-sen, das sie gern weitergibt: Sie bietet Kräuterworkshops, Wande-rungen und Kochkurse an – für Kinder aller Altersgruppen und fürErwachsene. Weit gehen muss man dafür nicht: „Vor der Haustürewachsen die wunderbarsten Pflanzen.“ Neulingen rät sie aber,nicht einfach loszugehen und alles zu pflücken, was ihnen unter-kommt – zu groß sei die Verwechslungsgefahr.
Mangelnde Kreativität kann man der Wirtin nicht vorwerfen, mit vielLiebe macht sie alles selbst. Angefangen vom Hollersaft und Wald-meistersirup bis hin zum Haustee und zur eigenen Kräuterlimona-de, die sie selbst ansetzt und von einem Mostbauern in Flaschenfüllen lässt: Den Gästen dürstet schon danach, im letzten halbenJahr hat sie 700 Flaschen davon verkauft. Zum Dessert serviert sieuns einen Löwenzahnkaffee. Dafür karamellisiert sie in der Pfannegetrocknete Löwenzahnwurzeln, gießt sie mit Wasser auf, kurz kö-cheln lassen – fertig. „Löwenzahn macht sich auch als Kaffee her-vorragend“, weiß sie. Auf einer Stellage beim Eingang stehen ihrehausgemachten Spezialitäten zum Verkauf hübsch angeordnet:Kräuterlimonade, Stocker Schokolade mit Gundelrebe, angefertigtvon der Schokomanufaktur Zotter, Wildkräuternudeln, Marmeladen,Chutney und vieles mehr. In der alten Schmiede wird gefeiert undauf Vorbestellung gegrillt. Freitags etwa grillt sie immer Stockerl-fisch (eine Abwandlung von Steckerlfisch), heimische Sorten wieForelle oder Saibling, dazu serviert sie Kräuterbrot – selbst ge-macht im hauseigenen Lehmofen. Die Ideen gehen der Kräuterwir-tin nicht aus. Zig Gründe für eine Genussreise ins Land der tau-send Hügeln.
KARIN SCHRAMMEL
FOTOS: KATHARINA GOSSOW
Rote-Rüben-Carpaccio mit Endivien-Wildkräutersalat
Zubereitung: Die Roten Rüben waschen und weich kochen.Anschließend dünn schneiden und mit Salz, Kümmel undetwas Kren würzen. Am Teller rund auflegen. Endiviensalatschneiden und mit einer Handvoll gehackter Wildkräutermischen. Mit Apfelessig, Kräutersalz und Leindotterölabschmecken und auf den Roten Rüben anrichten. Tipp:Dazu passt hervorragend Räucherschafkäse.
Kohlrabicremesuppe mit Vogelbeerschaum
Zutaten (4 Portionen): 1 kleine Zwiebel, 2 EL Butter,
3 EL Kastanienmehl oder Weizenvollkornmehl,
100 g Kohlrabi, 1,5 l Gemüsefond, 1/8 l Milch, Salz,
Pfeffer, Kümmel, 50 g Sauerrahm, etwas Zitronensaft,
1 EL Vogelbeermarmelade, 1/16 l Sauerrahm oder Obers
Zubereitung: Zwiebel in Butter anschwitzen, mitKastanienmehl oder Weizenvollkornmehl stauben, Kohlrabischälen und klein schneiden, dazugeben und mitGemüsefond und Milch aufgießen. Mit Salz, Pfeffer, Kümmelwürzen und köcheln lassen. Mit Sauerrahm und etwasZitronensaft aufmixen. Vogelbeermarmelade mit Sauerrahmoder geschlagenem Obers vermischen. Einen Löffel davonin die Suppe geben und anrichten.
Mürber Strudel gefüllt mit Kohlgemüse, dazu Gierschdip
Zutaten (4 Portionen): TEIG: 1/2 kg Weizenvollkornmehl, 200g Butter, 1 Ei, Wasser, Salz
Kohlgemüse: 300 g Kohl, 1 kleine rote Zwiebel, 2 ELSonnenblumenöl, 1/2 roter Paprika, 1 Handvoll Giersch oderPetersilie, Salz, Pfeffer, gemahlener Kümmel, 1/16 lSauerrahm, 1 TL Kräutersalz, 1 Ei, 20 g Vollkornbrösel
DIP: 1/8 l Joghurt, 2 EL Giersch, Kräutersalz
Zubereitung: Weizenvollkornmehl mit Butter(Zimmertemperatur), Ei, etwas Wasser und Salz zu einemTeig verarbeiten. In einer Folie im Kühlschrank eine halbeStunde rasten lassen. Kohl würfelig schneiden und kurz inkochendem Wasser überbrühen. Eine kleine rote Zwiebelschneiden und in etwas Sonnenblumenöl anrösten. DenKohl, kleinwürfelig geschnittenen Paprika, eine Handvollklein geschnittenen Giersch oder Petersilie dazugeben. MitSalz, Pfeffer und gemahlenem Kümmel abschmecken.Sauerrahm mit Kräutersalz, einem Ei und Vollkornbröselverrühren und unter die erkaltete Kohlmasse mengen. DenTeig circa fünf Millimeter dick auf einem bemehlten Brettdünn ausrollen. Zwei Drittel des Teigs mit Kohlgemüsebelegen. Den Rand mit Ei bestreichen und einrollen. Bei 180Grad circa 45 Minuten backen. Für den Dip das Joghurt mitgehacktem Giersch und Kräutersalz vermischen und zumStrudel reichen.
»TUT GUT«-WIRT
Mit mehr regionalem Gemüse undObst, heimischem Fisch, fettarmenund vegetarischen Gerichten sorgendie »tut gut«-Wirte für eine vielfältige-re und somit gesündere Abwechs-lung in den Speisekarten. Damit ma-chen sie es ihren Gästen leichter, diegesündere Wahl zu treffen. Bei denZutaten wird auf höchste Qualität ge-achtet – nach dem Motto: frisch, re-gional, saisonal.
Hier finden Sie den »tut gut«-Wirtin Ihrer Nähe:www.noetutgut.at
HAGEBUTTENPARFAIT: 2 Eier, 1 Dotter, 3 EL Hagebutten-marmelade, 300 g Obers
DEKO: Bitterschokolade, 1 EL gehackter Gundelrebe
Zubereitung: Weizenvollkornmehl mit Milch, etwas Salz undVanillezucker glatt rühren, Eier unterrühren. Fett in einerflachen Pfanne erhitzen und den Teig dünn einfließenlassen, anbacken und wenden. Für die Nussfülle die Milchmit Honig aufkochen. Geriebene und geröstete Walnüsse,geriebene, unbehandelte Zitronenschale, Vanillezucker,Rum, etwas Zimt und Salz einrühren, kurz aufquellen lassen.Die Palatschinken damit füllen und mit flüssiger Bitter-schokolade und gehackter Gundelrebe dekorieren. Für dasHagebuttenparfait zwei Eier, einen Dotter und Hagebutten-marmelade über Dampf schaumig aufschlagen. Kalt schla-gen. Geschlagenes Obers untermengen, in eine Form füllenund circa fünf Stunden einfrieren.
erschienen in GESUND & LEBEN IN NIEDERÖSTERREICH 12/2016