Nach Mobbing kommt Cybermobbing:Feindseligkeit, die im Internet ausgelebt wird,betrifft schon die Jüngsten. Was kann mandagegen tun?
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Mag. Cornelia Letschka,Leiterin des Institutsk.o.m.m in St. Pölten
Internet und Smartphone sind segensreiche Erfindungen, die uns das Leben erleichtern. Doch auch sie ha-ben eine Kehrseite. Digitale Medien machen nämlich auch Mobbing leichter – man spricht dann von Cyber-mobbing. Der Begriff bezeichnet „das absichtliche und über einen längeren Zeitraum anhaltende Beleidi-gen, Bedrohen, Bloßstellen, Belästigen oder Ausgrenzen anderer über digitale Medien“. Und das ist mehrals ein Kavaliersdelikt: Seit 1. Jänner 2016 ist Cybermobbing als eigener Straftatbestand im Strafgesetz-buch verankert.
Was ist Cybermobbing?
Das Phänomen findet im Internet über soziale Netzwerke, Chats, Messenger, E-Mails oder per Handy statt,die Attacken gehen in der Regel von Personen aus dem eigenen Umfeld aus. Im Vergleich zum „herkömm-lichen“ Mobbing weist Cybermobbing einige Besonderheiten auf: „Zum einen findet es rund um die Uhrstatt. Das heißt, die Belästigungen enden nicht nach der Schule oder der Arbeit. Zum anderen verbreitensich im Internet ausgestreute Gerüchte oder Beschimpfungen sehr schnell vor einem großen Publikum. Au-ßerdem glauben die Täter oft, anonym zu sein, wenn sie sich etwa hinter einer erfundenen Identität verste-cken. Dadurch sinkt die Hemmschwelle“, erklärt Mag. Cornelia Letschka, Leiterin des Instituts k.o.m.m inSt. Pölten, das unter anderem Mediation, Elternberatung und Schulsozialarbeit bei Konflikten anbietet undKinder, Jugendliche und Erwachsene auf ihrem Weg zu einem Miteinander über alle Unterschiede undSchwierigkeiten hinweg begleitet. Die Auseinandersetzung mit Opfern und Tätern von Cybermobbing ge-hört heute zum Alltag der Sozialarbeiterinnen bei k.o.m.m. Die Expertinnen wissen, dass oft jene, die früherschon Opfer von Mobbing waren, häufig auch zu Opfern von Cybermobbing werden. Doch auch andereFaktoren spielen eine Rolle: „Kinder und Jugendliche werden vermehrt zu Cybergemobbten, wenn ihre El-tern sie entweder vernachlässigen oder aber überbehüten. Ein einfühlsames Elternhaus mit einem konse-quenten Erziehungsstil scheint hingegen eher davor zu schützen“, sagt Cornelia Letschka. Ähnliches gelteauch für die Täter. „Kinder und Jugendliche, die Regeln und Grenzen kennen, werden seltener zu Täternvon Cybermobbing.“
No Blame
Das beobachtet auch Sigrid Bannert, Direktorin der Praxisvolksschule Krems-Mitterau, denn Cybermobbingbetrifft auch schon die Jüngsten unserer Gesellschaft: „Noch ist das Phänomen an unserer Schule selten.Ich denke, das Problem wird in Zukunft weiter wachsen.“ Hier versucht man vorzubeugen: „Wir haben denGegenstand ‚Soziales Lernen‘ an unserer Schule eingeführt. Zudem haben wir eine Vertrauenslehrerin, diespeziell ausgebildet ist. Sie besucht regelmäßig die einzelnen Klassen und arbeitet mit ihnen an Themenwie Klassenzusammenhalt, Klassendynamik oder Streitverhalten und setzt im Fall von Mobbing oder Cy-bermobbing den Ansatz des ‚No-Blame-Approach‘ ein“, berichtet Sigrid Bannert.
Beim „No-Blame-Approach“ handelt es sich um eine wirksame Vorgehensweise, um Mobbing unter Schü-lern zeitnah und nachhaltig zu beenden. „Dabei wird auf Schuldzuweisungen verzichtet. Es geht darum, ge-meinsam mit den Kindern konkrete Ideen zu entwickeln, die eine bessere Situation für die von Mobbingoder Cybermobbing betroffenen Schüler herbeiführen. Fokussiert wird ausschließlich auf Lösungen, diedazu beitragen, das Mobbing zu stoppen.“
Prävention zählt!
Dass Prävention ein ganz wichtiges Schlagwort in Sachen Cybermobbing ist, betont auch Cornelia Letsch-ka. „k.o.m.m führt regelmäßig präventive Projekte durch, in denen die sozialen Kompetenzen der Schülergestärkt werden. In konkreten Fällen arbeiten wir mit mediativer Pädagogik. Das ist ein Konzept, das Kin-dern, Jugendlichen und Erwachsenen hilft, mit entsprechenden Sinnesmaterialen und Kommunikations-und Konfliktlösungstechniken jene Fähigkeiten zu erlernen, die notwendig sind, um Konflikte eigenverant-wortlich zur Zufriedenheit aller Beteiligten auch ohne Unterstützung von Dritten zu lösen.“
Was aber tun, wenn das Problem auftaucht? „Betroffene Kinder sollten sich immer von Erwachsenen Unter-stützung holen, und wir raten auch dazu, die Hotline Rat auf Draht (Rufnummer 147) in Anspruch zu neh-men“, sagt Cornelia Letschka. Eltern sollten ihr gemobbtes Kind unbedingt stärken und unterstützen. Beiwww.saferinternet.at können sie sich selbst informieren. Was sie nicht tun sollten: sich – voll ungefilterterEmotion – direkt an den oder die Täter zu wenden.
FRÜHES MOBBING BELASTET PSYCHE VON TEENAGERN
Teenager, die als Kinder von Gleichaltrigen schlimm gemobbtwurden, haben später öfter psychische Probleme wie Suizidge-danken. Das zeigt eine Studie der McGill University in Montreal.Die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Alter von 15 Jahremn vonDepressionen oder niedergeschlagenen Stimmungen berichten,ist doppelt so hoch, bei Angst sogar drei Mal so wahrscheinlich.Am beunruhigendsten war laut den Forschern jedoch, dass die-se Gruppe fast 3,5 Mal so wahrscheinlich ernste Selbstmordge-danken oder Selbstmordversuche angab als jene, die keinemoder nur geringem Mobbing ausgesetzt war. Kinder, die eine mit-telschwere Viktimisierung erlitten hatten, verfügten über kein er-höhtes Risiko psychischer Probleme.