Topmoderne Diagnose undTherapie, mit innovativenVerfahren und Technologien: Inden NÖ Kliniken tut sich viel imKampf gegen Krebs.
Die Diagnose Krebs schockiert wie keine andere. Das bisherige Leben gerätins Wanken, es wird einem regelrecht der Boden unter den Füßen weggezo-gen. Jährlich erkranken im Durchschnitt 7.000 Menschen in Niederösterreichdaran.
Schuld daran sind die Gene, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Pecherstor-fer: „Krebszellen entstehen, wenn sich bestimmte Abschnitte der Erbsub-stanz, also der Gene, verändern und diese Veränderungen nicht mehr repa-riert werden können. Dadurch wird die Erbinformation verfälscht.“
Auch das Alter spielt eine Rolle: Je öfter sich eine Zelle teilt, desto höherist das Risiko, dass sie einen Defekt entwickelt. „Bei einem Menschen mit 30Jahren hat sich eine Zelle circa 3.000 Mal geteilt, bei einem 70-Jährigenetwa 5.000 Mal. Auch das Reparatursystem für die Gene funktioniert immerschlechter. Daher erkranken viele ältere Menschen an Krebs“, erklärt Pecher-storfer. Er ist einer der führenden Krebsspezialisten des Landes. Seit 2008hat er hier in Krems einen Krebs-Schwerpunkt etabliert – mit stetig steigen-den Patientenzahlen: von 300 Patientenkontakten im Jahr 2008 zu 9.000 imVorjahr. Seit Anfang 2014 leitet er die neugegründete Klinische Abteilung fürInnere Medizin 2 im Universitätsklinikum, in der die Bereiche Hämato-Onkolo-gie, Gastroenterologie und Palliativmedizin beheimatet sind.
Auslösende Faktoren
Schuld an der Entstehung von Krebs sind also geneti-sche Defekte. Die Ursache, warum ein derartiger De-fekt eintritt, ist allerdings unterschiedlich. Pecherstor-fer nennt einige Faktoren, die das Erkrankungsrisikoerhöhen: UV-Strahlen, Tabakrauch, Chemikalien, chro-nische Infektionen, erhöhter Alkoholkonsum und eineungesunde Lebensweise. Gegen einige dieser Risiko-faktoren kann man selbst etwas tun: Ein gesunder Le-bensstil mit ausgewogener Ernährung, Sport und Be-wegung ist eine gezielte Prophylaxe gegen Krebs.Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in ihremBericht „Physical Activity Guidelines“ nachgewiesen,dass tägliche moderate Bewegung das Krebsrisikoum 30 Prozent senken kann. Bei 90 Prozent aller Lun-genkrebsfälle ist das Rauchen schuld. „Viele schädli-che Einflüsse kann man also selber ausschalten“,mahnt der Onkologe. In circa fünf bis zehn Prozentder Fälle geht man heute davon aus, dass die
Krebsentstehung erblich bedingt ist. In den betroffenen Familien tritt Krebs injeder Generation und häufig schon in jungen Jahren auf.
Therapiemöglichkeiten
Krebs ist heute längst kein Todesurteil mehr: In den niederösterreichischenKliniken arbeiten die Ärzte und Therapeuten nach den letzten wissenschaftli-chen Erkenntnissen. Österreich hat sehr gute Standards in der Behandlung,mit Krebs lebt man hier länger als in anderen EU-Ländern, weiß der Krebs-Experte: „Die Mortalitätsraten sind rückläufig, weil die Diagnosen früher ge-stellt und die Therapien immer besser werden.“
Steht die Diagnose fest, erarbeiten die Onkologen eine individuelle Be-handlungsstrategie. Je nach Lage, Größe und Art des Tumors gibt es unter-schiedliche Möglichkeiten. Eine davon ist die Operation, bei der versuchtwird, den Tumor zu entfernen und möglichst viel des umliegenden Gewebeszu erhalten. Bei der Radio- oder Strahlentherapie werden hochenergetischeStrahlen an den Tumor geleitet, sie zerstören das Erbgut der Krebszellen, so-dass diese absterben.
Bei der medikamentösen Therapie, zum Beispiel Chemotherapie, werdenWirkstoffe, die Krebszellen zerstören (Zytostatika), in das Körpersystem ein-
gebracht. Als größte Errungenschaft der letzten Jahre sieht Pech-erstorfer die Entwicklung von Antikörpern. Das sind Moleküle, diedas Wachstum der Krebszellen hemmen können: „Damit stehtuns eine neue Therapiemöglichkeit zur Verfügung. Im Gegensatzzu Zytostatika, die auch das gesunde Gewebe zerstören, greifendiese Antikörper nur die Krebszellen an.“
Die Therapien werden immer wirksamer, die Ergebnisse im-
mer besser. Doch wer den Krebs besiegt hat, hat häufig einen zweitenKampf vor sich – gegen die Spätfolgen von Tumor und Therapie. Hier kanneine onkologische Rehabilitation helfen, wieder besser im Leben zurechtzu-kommen (siehe Interview auf dieser Seite).
Ständige Forschung
Die Onkologie ist ein dynamisches Fach, das rasant wächst: „Das Wissen indiesem Fachbereich verdoppelt sich alle paar Jahre, man muss immer aufdem Laufenden bleiben“, sagt Pecherstorfer. Lebenslanges Lernen undständige Fortbildung sind in diesem Bereich ein Muss. Daher wird auch gro-ßer Wert auf Forschung gelegt: Im Uniklinikum Krems läuft ein Projekt zur Er-forschung der Tumor-Kachexie (siehe Kasten Forschungsprojekt Seite 11).Wichtig ist laut Pecherstorfer auch die Teilnahme von Patienten an klinischenStudien, um neue Medikamente unter strikten Bedingungen zu testen. Dieserfolgt nach einem strengen Zulassungsverfahren seitens der NÖ Landeskli-niken-Holding und der NÖ Ethikkommission – und natürlich nur nach voll-ständiger Aufklärung und mit Einverständnis des Patienten. Klinische Studi-en sind enorm aufwändig, sagt der erfahrene Onkologe: „Ein eige-
nes Studienteam muss für die Durchführung und Do-kumentation zur Verfügung stehen. Doch der Auf-wand lohnt sich, denn diese Studien bringen uns inder Behandlung stetig weiter.“ Und für manchen Teil-nehmer sind sie eine Chance, rechtzeitig eine neueTherapie zu bekommen, die es sonst noch nicht gibt.
Gemeinsam Leben retten
Auch die (mittlerweile verpflichtende) fächerübergrei-fende Zusammenarbeit kann Leben retten: In den NÖKliniken treffen sich regelmäßig die Experten unter-schiedlicher Fachrichtungen – teils auch per Video-konferenz. Sie besprechen in diesen sogenannten Tu-morboards jeden neu erkrankten Krebspatient und le-gen die jeweils beste individuelle Behandlung fest. Solernen die Spezialisten der verschiedenen Fachrich-tungen gegenseitig von einander.
Auch der NÖ Onkologie-Tag dient der fächerüber-greifenden Zusammenarbeit: Jährlich informieren sichrund 150 NÖ Teilnehmende zu aktuellen Themen derKrebsforschung. Ein Wissensaustauch aus
allen Fachdisziplinen, denn der Blick und Erfahrungsaustausch über Fach-grenzen hinweg bringt den Patienten bessere Heilungschancen.
Pecherstorfer war auch federführend an der Entwicklung des Onkologie-In-formationssystems (OIS) beteiligt: Erstmals werden flächendeckend alleKrebsfälle in diesem EDV-System erfasst und sämtliche Behandlungsschrittestrukturiert so dokumentiert, dass sie jedem behandelnden Arzt in Niederös-terreich einfach und übersichtlich zur Verfügung stehen, „das bringt uns eineengere Vernetzung mit vielen Vorteilen.“
Niederösterreich als Vorreiter
In Niederösterreich tut sich viel im Kampf gegen Krebs – und vieles wird sichnoch tun: In Wiener Neustadt entsteht mit MedAustron eines der modernstenKrebsbehandlungs- und Krebsforschungszentren der Welt. Das Zentrumbringt einen riesigen Fortschritt in der Behandlung von Tumoren, die manbisher noch nicht gewebeschonend bestrahlen kann. Ein weiterer Meilen-stein ist die neugegründete Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesund-heitswissenschaften in Krems.
Pecherstorfer war – gemeinsam mit fünf anderen Spitzenmedizinern ausden NÖ Kliniken – maßgeblich an der Entstehung des Lehrplans dieser neu-en Universität beteiligt und damit auch an der Etablierung des Landesklini-kums Krems als Universitätsklinik vor zwei Jahren. Er freut sich auf weitereFortschritte und Neuerungen, denn „durch die Verbindung von Lehre undBehandlung wird die Qualität weiter ansteigen.“ Auch St. Pölten und Tullnsind seit zwei Jahren Universitätskliniken. So gehen Theorie und Praxis flie-ßend ineinander über und unterstützen sich gegenseitig, zum Vorteil der Pa-tienten und ihrer Gesundheit. KARIN SCHRAMMEL
Krebs ist heute längstkein Todesurteil mehr.Die Therapien werdenimmer wirksamer, dieErgebnisse immerbesser.
Im Uniklinikum Krems startete mit Beginn die-ses Jahres das Projekt zur Erforschung derTumor-Kachexie, einer Veränderung des Stoff-wechsels bei Menschen mit Krebserkrankun-gen, die zu einem starken Abbau von Fett-und Muskelgewebe und damit Gewichtsver-lust führt. Die Kachexie beeinträchtigt nichtnur die Lebensqualität, sondern wirkt sichauch nachteilig auf die Krebstherapie aus.Das Forschungsprojekt wird im Namen derKarl Landsteiner Privatuniversität und unterder Leitung von Prim. Univ.-Prof. Dr. MartinPecherstorfer in Kooperation mit dem Institutfür Analytische Chemie (Wien), der MeduniGraz und Wien sowie der IMC FH Kremsdurchgeführt und von der NÖ Forschungs-und Bildungsges.m.b.H. mit rund 300.000Euro finanziert. Studienteilnehmende findetdas Forschungsteam direkt im Klinikum.
Schuld an der Entstehungvon Krebs sind geneti-sche Defekte.
Eine onkologische Re-habilitation kann helfen,nach der Krebsbehand-lung wieder zu Kräftenzu kommen.
INTERVIEW
Vom Überleben zum Leben
Was ist eine onkologische Rehabilitation?
Eine Rehabilitation für Krebspatienten setzt gleichermaßen auf die kör-perliche, psychische und soziale Rehabilitation. Wir unterstützen Patien-ten dabei, mit der Erkrankung zu leben und die Symptome sowie die Fol-gen der Behandlung zu reduzieren. So ist zum Beispiel viel von der Mü-digkeit nach der Krebsbehandlung keine Krankheit, sondern eine recht-schaffene Müdigkeit. Daher sage ich immer: Wir sind kein Krankenhaus,sondern ein Gesundenhaus. Das, was die Patienten bewältigt haben, isteine Spitzenleistung – eine größere, als ein Spitzensportler je erbringt,denn der hat sich das ausgesucht, und eine Chemotherapie ist weit an-strengender. Wir bieten Unterstützung an, sich wieder an den Alltag zugewöhnen, das benötigt Zeit.
Welche Personen kommen dafür in Frage?
Menschen, die ihre primäre Krebsbehandlung wie etwa Chemo- oderStrahlentherapie abgeschlossen haben, aber auch Betroffene, bei denendie Therapie schon länger zurückliegt. Beim dreiwöchigen Aufenthaltwerden sie auf ihrem Weg zurück in den privaten und beruflichen Alltagunterstützt. Sie sollen vom Überleben wieder zum Leben kommen.
Wie sieht die Therapie aus?
Die onkologische Rehabilitation ist ein hochwirksames Verfahren, das alsTeil eines onkologischen Gesamtkonzeptes zu sehen ist. In der Akutme-dizin wird alles bestens gemacht, doch während der primären Krebsbe-handlung bleibt oft keine Zeit, auf die Folgen der Krankheit einzugehen.In der Reha hat man Zeit, um individuell auf die Bedürfnisse der Patien-ten zu schauen. Da jeder Betroffene anders auf die Krebsbehandlung re-agiert, wird das Therapieprogramm individuell zusammengestellt – medi-zinische Trainingstherapie/Sport, Sensomotorik und psychosoziale Unter-stützung. Angeboten werden Einzel- bzw. Gruppeneinheiten aus den Be-reichen Klinische- und Gesundheitspsychologie, Heilgymnastik, Ausdau-ertraining, Ergotherapie, Ernährungsberatung, Sozialberatung, Physikali-sche Therapien und Heilmassagen.
Wie wirkt die onkologische Rehabilitation?
Die Patienten haben weniger Schmerzen und mehr Lebensqualität, unddie Rückkehr an den Arbeitsplatz wird leichter. Wissenschaftliche Unter-suchungen belegen die verbesserte Lebensqualität und dass die Rehadie Folgen der Krebsdiagnose und der Behandlungen vermindern kann.Und sie belegen auch, dass onkologische Rehabilitation einen therapeu-tischen Effekt gegen Wiedererkrankung hat.
Wie kommt man zur onkologischen Rehabilitation?
Der behandelnde Haus- oder Facharzt klärt die medizinische Notwendig-keit einer Rehabilitation ab. Gemeinsam mit dem Patient wird dann einAntrag auf onkologische Rehabilitation gestellt. Viele Krebspatienten wis-sen nicht, dass es diese Möglichkeit gibt, hier gibt es noch jede MengeAufklärungsbedarf. Bei Herzinfarkt- oder Schlaganfallpatienten wird auto-matisch an Reha gedacht, bei Krebspatienten noch nicht.
Univ.-Prof. Dr. AlexanderGaiger, Leiter der onko-logischen Rehabilitationim Lebens. Med Zen-trum Bad Erlach,