Achtung, Wechselwirkung!
Die grüne Tablette nicht vor dem Frühstück, die weiße aber schon, die pinke wird nüchtern eingenommen. Verwirrend? Ja, aber nicht ungewöhnlich, denn vor allem ältere Menschen müssen täglich mehrere Medikamente einnehmen. Gut ist, wenn man den Überblick behält und auch die möglichen Wechselwirkungen kennt.
Am häufigsten werden in Österreich Bluthochdruck- bzw. Herz-Kreislauf-Medikamente verordnet, gefolgt von Arzneien gegen psychische Erkrankungen und zur Regelung des Fettstoffwechsels. Hinzu kommt die „Selbstmedikation“: Am ständig wachsenden OTC-Markt („over the counter“, nicht verschreibungspflichtige Medikamente) werden vor allem Mittel zur Behandlung von Husten- und Erkältungskrankheiten gekauft, aber auch Schmerz- oder Nahrungsergänzungsmittel sind beliebte OTC-Produkte. Verschiedene Medikamente einzunehmen, ist für viele Österreicherinnen und Österreicher ein alltägliches Ritual. „Wer jedoch bei sechs, sieben, acht oder mehr Arzneien liegt, sollte gemeinsam mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt einen genauen Blick darauf werfen, um sicherzustellen, dass Wechselwirkungen ausgeschlossen werden können“, rät Prof. Dr. Christian Schörgenhofer, Leiter der Arzneimittelambulanz an der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der MedUni Wien.
Wie es zur Wechselwirkung kommt
Warum aber entstehen Wechselwirkungen und welche möglichen Reaktionen bringen sie mit sich? Eine Möglichkeit betrifft den Stoffwechsel von Arzneimitteln durch bestimmte Enzyme. Insbesondere spezielle Leberenzyme, die als Cytochrom P450 (CYP450) bekannt sind, sind für die Aktivierung oder den Abbau vieler Medikamente verantwortlich. Das kann einerseits dazu führen, dass ein Medikament zu lange im Körper bleibt und sich zu einer potenziell toxischen Konzentration aufbaut. In diesem Fall kann es zu unerwünschten oder zusätzlichen Nebenwirkungen kommen. Anderseits kann es durch Induktion, also einer Überaktivität der Enzyme, dazu kommen, dass ein Medikament viel zu rasch abgebaut wird und daher nicht so gut oder so lange wirkt, wie es sollte. Eine weitere wesentliche Rolle spielen Transportproteine, die sogenannten P-Glykoproteine (P-gp). Diese sind wichtige Transporter, die die Aufnahme von Fremdstoffen und somit von Medikamenten im Darm beeinflussen. Ihr Ziel ist es, diese Fremdstoffe nicht in den Körper zu lassen und sie „zurückzupumpen“. Erhöht man deren Aktivität, zum Beispiel mittels Hyperforin aus Johanniskraut oder mittels der Antibiotika Rifampicin (z. B. bei Tuberkulose) oder Rifabutin (z. B. Tuberkulose + HIV), pumpen sie mehr zurück und die Wirkspiegel von diversen Medikamenten sinken. Hemmend hingegen wirken Nährstoffe wie etwa Naringin oder Furocumarine aus der Grapefruit, Curcumin aus Gelbwurzeln, Capsaicin aus Chili sowie Piperin aus schwarzem Pfeffer.
Die häufigsten Wechselwirkungen
Pharmakokinetische Wechselwirkungen:
Dazu zählen jene, die Freisetzung, Aufnahme, Verteilung und/oder Ausscheidung eines Arzneimittels beeinflussen. Es verändern sich so die Wirkspiegel der Medikamente, was letztlich aber auch die Wirksamkeit der Therapie beeinflussen kann.
Pharmakodynamische Wechselwirkungen:
Es ändert sich die Wirkung von Arzneimitteln. Medikamente können beeinflusst von anderen Substanzen abgeschwächt oder viel stärker wirken, z. B. kann Alkohol die Wirkung von Beruhigungsmitteln verstärken.
Prof. Dr. Christian Schörgenhofer,
Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der MedUni Wien
Text: Doris Simhofer | Fotos: iStock_Goodboy Picture Company, feelimage/Felicitas Matern,