Süßes Nichtstun
Den Aktiven und Rastlosen gehört angeblich die Welt. Wer viel zu tun hat und ständig in Aktion ist, erntet meist Aufmerksamkeit und Bewunderung. Dabei sind Muße und Innehalten wertvolle Ressourcen, die uns körperlich und mental guttun.
Der wahre Luxus unserer Zeit ist, Zeit für sich selbst, fürs Nichtstun und für Dinge zu haben, die Freude machen.
Das geflügelte Wort „il dolce far niente“, übersetzt „das süße Nichtstun“, stammt aus dem Italienischen. Gemeint ist ein Lebensgefühl von Leichtigkeit und Frohsinn, ein Innehalten im Alltag, um den Augenblick zu genießen. Schon die antiken Philosophen betrachteten Muße als sinnvolle Zeit, um über sich selbst und die Welt zu reflektieren. Im Gegensatz zu dieser wertvollen Kontemplation wurde Müßiggang, der zu Trägheit und Faulheit führt, meist als nutzlos und schädlich angesehen. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein war der Adel einem Lebensstil des gepflegten Müßiggangs zugetan. Man sah sich durch Geburt zur Herrschaft, aber nicht zur Arbeit berufen. Die Erwerbsarbeit wurde als unadelig abgelehnt und war Bauern und Bürgern vorbehalten. Lieber vertrieb man sich die Zeit mit opulenten Festen, Turnieren, Gesellschaftsspielen, Jagd und Falknerei, religiösen Wallfahrten oder Reisen zu den Höfen anderer Adeliger. Beliebt war auch die schöngeistige Beschäftigung mit Literatur, Religion, Musik oder das Sammeln von Kunst. Im Lauf der Aufklärung und mit dem Beginn der Industriellen Revolution im 18. Jahrhundert kam der müßiggängerische Lebensstil des Adels zunehmend unter Druck. Arbeitsamkeit und Produktivität wurden nach und nach zum neuen Ideal des aufstrebenden Bürgertums – insbesondere von Kaufleuten, Unternehmern und Beamten.
Tipps für mehr Ruhe im Alltag
Fokus auf den Entspannungsgrad
Beobachten Sie sich im Alltag. Notieren Sie, bei welchen Aktivitäten Sie abschalten und sich ein wenig entspannen können – etwa spazieren gehen, in die Luft schauen, herzhaft lachen, zeichnen oder handwerken. Bewerten Sie auf einer Skala von 1 (wenig erholsam) bis 10 (absolut erholsam), wie sehr Sie sich dadurch erholt fühlen. Das verhilft zu einem besseren Bewusstsein, was einem individuell guttut.Mehrere kleine Auszeiten täglich
Machen Sie zwischendurch kleine Ruhepausen, in denen Sie an gar nichts denken, Ihren Gedanken freien Lauf lassen oder einer Fantasie nachgehen. Dabei können Sie achtsam beobachten und die Sinne bewusst durch den Raum schweifen lassen: Was kann ich sehen? Welche Farben oder Formen? Was kann ich hören? Was spüre ich? Was rieche und schmecke ich gerade? Vielleicht spüren Sie, wie die Fußsohlen den Boden berühren, wie sich beim Atmen Ihr Brustkorb hebt und senkt. Nehmen Sie bewusst wahr, ohne zu bewerten.Passende Entspannungsmethode finden
Probieren Sie unterschiedliche Entspannungstechniken aus, um herauszufinden, welche für Sie geeignet ist. So bieten Meditation, autogenes Training und progressive Muskel-entspannung echte Entspannung für Körper, Geist und Seele. Üben Sie Ihre Lieblingsmethode einmal täglich aus. Das kann am Morgen vor dem Aufstehen oder am Abend vor dem Schlafengehen sein.
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„Einfach mal nichts tun“
Mag. Natalia Ölsböck, Psychologin
Wirtschafts- und Kommunikationstrainerin
Warum macht uns Nichtstun oft ein schlechtes Gewissen?
Das schlechte Gewissen hat eine wichtige Funktion: Es meldet sich immer dann, wenn wir selbst nicht in Übereinstimmung mit unseren Werten handeln. Es ist ein Zeichen, dass unser Tun nicht mit unserer inneren Einstellung übereinstimmt. Dennoch dürfen wir unsere Werte auch kritisch hinterfragen: „Ist das tatsächlich mein eigener Wert? Oder sind es Vorstellungen, die mir von außen aufgezwungen wurden?“ Vielleicht haben wir unbewusst die Vorstellung aus dem Elternhaus übernommen, nur dann wertvoll zu sein, wenn wir viel leisten. Wer nur Aufmerksamkeit und Lob bekam, wenn er gute Leistungen erbrachte, fühlt sich oft wertlos, wenn er nichts tut. Daraus kann sich eine ungesunde innere Stimme entwickeln, die sagt: „Du musst dich anstrengen!“ oder „Du musst erfolgreich und leistungsstark werden, um ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein.“ Dies führt dazu, dass man sich immer wieder überfordert und seine Grenzen überschreitet. Dann ist es wichtig, Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge zu entwickeln, und sich von alten Glaubenssätzen zu lösen. Am besten gelingt das durch neue Überzeugungen, die sich beispielsweise gut über Autosuggestion bilden. Solche Affirmationen können einfache Sätze sein, etwa: „Ich bin wertvoll, so wie ich bin“, „Ich darf mir auch einmal meine Ruhe gönnen“ oder „Mit jedem Tag gelingt es mir besser, mich zu entspannen und meine Gedanken loszulassen.“
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Text: Jacqueline Kacetl | Fotos: iStock_Wirestock, MARTIN TOELTSCH