Essen mit Gefühl
Wir essen, um zu leben – das ist klar. Aber manchmal essen wir auch, um zu vergessen, uns zu trösten oder zu belohnen. In solchen Momenten wird Nahrung zum emotionalen Begleiter. Achtsames Essen verspricht eine neue, bewusste Art, mit dem eigenen Essverhalten umzugehen.
Viele Menschen greifen nicht nur zum Essen, wenn der Magen knurrt, sondern wenn die Seele nach Trost ruft. Das sogenannte emotionale Essen ist ein weit verbreitetes Phänomen. „Es ist ganz normal, dass wir in emotional aufgeladenen Situationen zu bestimmten Lebensmitteln greifen. Der Keks wird dann zum Trostspender, die Schokolade zum Stressregulator“, sagt Katharina Steingassner, BSc, Ernährungsexpertin bei „Tut gut!“. Die Auslöser dafür sind häufig unbewusst. Ein anstrengender Arbeitstag, Streit oder Einsamkeit können unbemerkt in den Heißhunger führen. Essen wird so zur Strategie der Emotionsregulation. Doch das kurzfristige Wohlgefühl kann langfristig Frust und Unzufriedenheit hinterlassen. Gerade deshalb gewinnt achtsames Essen, eine Praxis aus der Achtsamkeitstradition, zunehmend an Bedeutung. Aber was steckt dahinter?
Gefühle, Emotionen und die Macht des Moments
Zunächst lohnt es sich, zwischen Gefühlen und Emotionen zu unterscheiden. „Gefühle sind länger anhaltende Zustände wie Geborgenheit, Liebe oder Zufriedenheit. Emotionen hingegen sind unmittelbare körperliche Reaktionen auf einen Reiz, zum Beispiel Freude oder Traurigkeit“, erläutert Silvia Posch, BSc, Ernährungsexpertin bei „Tut gut!“. Emotionen haben eine wichtige Funktion: Sie helfen uns, unsere Umwelt zu verstehen und auf sie zu reagieren. Und sie beeinflussen unser Verhalten – zum Beispiel, ob wir Lust auf Essen haben oder nicht. „Emotionsregulation ist ein zentraler Punkt beim achtsamen Essen. Es geht darum, Emotionen nicht zu unterdrücken, sondern sie bewusst wahrzunehmen und zu steuern, damit sie uns nicht überwältigen“, sagt Silvia Posch. Dabei spielt auch der Vagusnerv, ein Teil unseres parasympathischen Nervensystems, eine große Rolle. Er hilft dem
Katharina Steingassner, BSc, Ernährungsexpertin bei „Tut gut!“
„Achtsames Essen ist keine Diät. Es geht nicht darum, etwas zu verbieten, sondern sich bewusst zu werden, was man braucht und wie sich das Essen anfühlt.“
Wie wirkt achtsames Essen?
Der Unterschied zwischen Gusto und Hunger kann wahrgenommen werden.
Die Hellhörigkeit für die Signale des Körpers nimmt zu.
Es wird deutlich, dass gewisse Essmuster in enger Verbindung mit Stress und Gefühlen stehen.
Der Genuss rückt in den Vordergrund. Wir nehmen uns mehr Zeit für das Essen und dadurch automatisch auch mehr Zeit für uns selbst.
Der eigene Körper wird mehr geachtet. Wir gehen mitfühlender mit uns selbst um.
Achtsames Essen bedeutet ruhiges, langsames Essen. Jeder Bissen wird gut gekaut. Dadurch erkennen wir deutlicher, wie viel Nahrung unser Körper braucht.
Text: Michaela Neubauer | Fotos: istock/Group4 Studio, Philipp Monihart